Legends of Amberland: The Forgotten Crown – TEST

Zu Beginn der 1990er-Jahre erreichte die Might-and-Magic-Reihe vom Entwicklerstudio New World Computing ihren ersten Höhepunkt. An genau diese Zeit möchte das von Silver Lemur Games entwickelte Rollenspiel Legends of Amberland: The Forgotten Crown erinnern.


In einer Zeit, in der japanische Rollenspiele dabei waren, ihre westlichen Vorreiter zu überflügeln, mussten diese wiederum versuchen, sich mit ihrem Gameplay in irgendeiner Weise abzuheben. Neben dem dritten, vierten und fünften Ableger der Might-and-Magic-Reihe entstanden ähnliche Dungeon Crawler wie Eye of the Beholder oder Lands of Lore, die uns mit ihren Fantasy-Welten in den Bann ziehen sollten. Allerdings hinkte die Spielbarkeit den japanischen Äquivalenten hinterher. Wer Angst hat, dass Legends of Amberland: The Forgotten Crown ähnlich kompliziert zu bedienen ist, darf allerdings aufatmen. Selbst auf der Nintendo Switch macht das Abenteuer rund um eine in Vergessenheit geratene Krone eine äußerst gute Figur.

Sobald wir ein neues Spiel starten wollen, haben wir die Wahl, ob wir direkt mit einer vorgefertigten Gruppe loslegen oder unsere siebenköpfige Armee lieber selbst kreieren wollen. Bei der Charaktererschaffung stehen uns zum einen unterschiedliche Völker wie Elfen, Halbelfen, Menschen und Zwerge mitsamt untergeordneten Stämmen zur Verfügung. Zum anderen haben wir die Wahl aus Klassen wie Rittern, Zauberern, Barden oder Heilern. Um dauerhaft Erfolge feiern zu können, empfehlen wir jedoch, eine möglichst vielseitige Gruppe zu gestalten, um einen breitgefächerten Zugriff auf Magie und Spezialfähigkeiten zu erhalten.

Freie Erkundung der Spielwelt

Egal für welchen Spieleinstieg wir uns auch entscheiden, landen wir in Legend of Amberland mit einem Brief des königlichen Magiers in der Hand vor den Toren von Timberburg. Unser Auftrag lautet, das Geheimnis um die titelgebende Krone zu lüften und das Land nach hilfreichen Informationen zu durchforsten. Das ist zwar wie in den frühen westlichen Rollenspielen der 1990er-Jahre eine sehr billige Einführung ins Geschehen, was aber ein paar Minuten später längst verziehen ist, da das Spiel uns aufgrund seiner nicht linearen Erzählweise dafür umso mehr Freiheiten lässt. So können wir uns aus der Ego-Perspektive frei durch die Spielwelt begeben und werden lediglich von natürlichen Grenzen wie Bergketten, dem Meer oder schlicht zu starken Monstern aufgehalten.

Sehr früh im Spiel blockiert ein mächtiger Troll beispielsweise eine Brücke. Wir haben die Option, gegen ihn zu kämpfen, um vermutlich das Zeitliche zu segnen. Es ist aber auch möglich, am Fluss ein kleines Boot zu erwerben. Dafür kloppen wir uns erst einmal mit Goblins, um ans nötige Kleingeld zu kommen. Im Anschluss könnten wir ans andere Ufer segeln. Wir könnten aber auch auf die Suche nach dem verschwundenen Gildenmeister gehen, von dem wir im Gasthaus gehört haben. Haben wir den Nicht-Spieler-Charakter vor seinen Entführern gerettet, haben wir aber genügend Erfahrung, um den Troll leichter zu bekämpfen.

Helden in der goldenen Mitte

Im Gegensatz zu anderen Rollenspielen dieser Zeit hat sich Silver Lemur Games jedoch einen Kniff bezüglich des rundenbasierten Kampfsystems ausgedacht. Sobald wir mit unseren Helden in der rasterförmig aufgebauten Spielwelt auf demselben Feld wie einer der stets sichtbaren Gegner landen, entbrennt der Kampf. In welcher Reihenfolge unsere Recken die Initiative ergreifen, hängt jedoch stark davon ab, auf welchem Charakterfeld sie sich am unteren Bildschirmrand befinden. So ist der Held in der Mitte stets die Spielfigur, die zuerst am Zug ist. Dies ist jedoch zugleich der Charakter, der am ehesten von den Gegnern attackiert wird. Wer also weiter außen steht, greift in der Runde später an, nimmt aber auch weniger Schaden.

Wirklich taktieren können wir hier aber nicht, da es logisch ist, dass sich in der Mitte hauptsächlich die Helden aufhalten sollten, die einen hohen Rüstungswert und die meiste Lebensenergie haben. Ist ein Held verletzt, öffnen wir – sobald der Heiler an der Reihe ist – per Tastenkombination das Zauberbuch und wählen den Zauberspruch und die Zielperson händisch aus. Das freie Wählen des Ziels funktioniert bei Kampfmagie aber nicht. Entweder wird wahllos einer der anwesenden Feinde attackiert oder die Magie betrifft direkt alle Gegner. Schade ist ebenfalls, dass wir weit entfernte Gegner nicht schon im Fernkampf bearbeiten können.

Nostalgische Rollenspielreise

Wer Angst hat, dass Legends of Amberland zu schwierig für ihn ist, kann aufatmen. Auf dem normalen Schwierigkeitsgrad ist das Rollenspiel ausgeglichen und belohnt in kurzen Abständen mit Gold, Erfahrungspunkten und neuer Ausrüstung aus Schatztruhen. Dennoch gehört es dazu, wenn sich Lebensenergie und Magievorrat dem Ende neigen, eine Rast einzulegen. Die Nahrungsvorräte können wir später im Wirtshaus auffrischen. Gut gelöst ist auch das Inventar-Management, denn während dieses in der dritten, vierten und fünften Episode von Might and Magic noch sehr umständlich zu bedienen ist, funktioniert Legends of Amberland in dieser Disziplin eher wie japanische Rollenspiele wie zum Beispiel Final Fantasy. Wichtig ist jedoch, dass unsere Helden jeweils nur einen Höchstwert an Ausrüstung tragen dürfen, bevor sie Mali auf ihre Aktionen bekommen, womit der Titel direkt wieder die Nähe zu westlichen Rollenspielklassikern sucht.

Auch in sonstigen Belangen gefällt die spartanische Menüstruktur, da alle wesentlichen Punkte sofort erkennbar und notfalls per Hilfefunktion einsehbar sind. Lediglich die Bildschirmtexte sind gelegentlich viel zu klein, was insbesondere im Handheld-Modus problematisch ist. Dafür macht das Spiel regen Gebrauch vom Touchscreen der Hybridkonsole, was die Spielbarkeit im Handheld-Modus leicht verbessert. Passend zur nostalgischen Thematik begeistert das Spiel mit einer tollen Pixelpracht und einem bewusst altbackenen Soundtrack, der vor allem Kenner der großen Vorbilder von Anfang bis Ende verzaubert.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Als Fan der mittlerweile stiefmütterlich behandelten Might-and-Magic-Reihe musste ich Legends of Amberland: The Forgotten Crown einfach ausprobieren, da es mir genau die Erfahrung vermittelt, die ich schon so lange vermisst habe. Es macht unglaublich viel Spaß, nicht unzählige Stunden mit dem Spieleinstieg zu verbringen und stattdessen direkt ins Abenteuer zu stürzen. Die Kämpfe funktionieren nach kurzer Eingewöhnungszeit mit mehreren Tastenkombinationen hervorragend und das Spielgefühl ist auch heute noch eine Erfahrung wert. Bemängeln kann ich höchstens kleine Details wie versäumte Fernkampfoptionen oder die gelegentlich viel zu kleine Schrift. Ansonsten gefällt mir das Spiel außerordentlich gut und wer schon einmal ein westliches Rollenspiel der frühen 1990er-Jahre spielen wollte, ohne umständliches Navigieren durch Menüs und ohne zu hohen Schwierigkeitsgrad, kommt um Legends of Amberlands definitiv nicht herum. Nostalgiker werden beim Anblick der Screenshots sowieso schon zugeschlagen haben.