The Silver Case 2425 – TEST

Entwicklerlegende Gōichi Suda ist für Videospiele bekannt, die sich mit einzigartigen Merkmalen im Spieldesign oder einer irren Story profilieren. The Silver Case 2425 ist ein Doppelpack zweier Visual-Novel-Adventures, die seinem Lebenswerk aber nicht gerecht werden.


Bei The Silver Case 2425 handelt es sich um überarbeitete Fassungen der Spiele The Silver Case und The 25th Ward: The Silver Case. Während der erste Teil bereits im Jahr 1999 auf der PlayStation veröffentlicht wurde, erschien der Nachfolger 2005 für mobile Endgeräte im Land der aufgehenden Sonne. Außerhalb Japans wurden die Spiele nur von hartgesottenen Fans von Gōichi Suda und Visual Novels wahrgenommen. Eine offizielle Übersetzung ins Englische erhielten die Spiele erst mit den technisch überarbeiteten Versionen in den Jahren 2016 und 2018 auf der PlayStation 4 und dem PC. Nintendo-Fans sind es gewöhnt, dass viele Spiele erst mit einer zeitlichen Verzögerung auf ihrer bevorzugten Konsole erscheinen. So ist es auch bei The Silver Case 2425 der Fall, das erst 2021 auf der Switch veröffentlicht wurde.

Beim Spielen der beiden Abenteuer stellen wir uns jedoch die Frage, ob die Titel auch über den wichtigen Erhalt von Videospielkultur noch ansehnlich oder gar spielenswert sind. Beide Titel weisen – und das nicht nur aus heutiger Sicht – gravierende Mängel in Spieldesign und Oberfläche auf. Während beinharte Fans des Genres sicherlich über bestimmte Defizite hinwegsehen können, werden gerade Bewunderer von Sudas späteren Werken wie Killer 7 oder No More Heroes mit schmalspurigem Gameplay und lahmen Pacing vor den Kopf gestoßen.

Emotionale, aber langatmige Geschichten

In The Silver Case übernehmen wir die Rolle eines nur vage beleuchteten Ermittlers bei der Polizei, dem wir sogar selbst einen Namen verpassen können. In der auf sechs Kapitel ausgelegten Handlung versuchen wir die Hintergründe und die Morde des Serienkillers Uehara Kamui aufzuklären. Mit der Zeit schalten wir in einer zweiten Kampagne einzelne Szenarien frei, in denen wir die Story aus der Sicht eines freiberuflichen Journalisten erleben. Es ist jedoch egal, welcher Geschichte wir gerade folgen – so richtig spannend sind beide Handlungsstreifen nicht. Das liegt vor allem daran, dass uns alle Informationen bis ins kleinste Detail vorgekaut werden und wir einfach zu viele Nebensächlichkeiten aufs Auge gedrückt bekommen.

Natürlich trägt es der Atmosphäre enorm bei, wenn wir von unserer Kollegin Chizuru Hachisuka erfahren, dass diese ihrem Partner Kiyoshi Morikawa misstraut und deshalb von unserem gemeinsamen Vorgesetzten gedrängt wird, aus dem Polizeidienst auszuscheiden, da sie ohnehin nur geduldet wird, da sie die Tochter des Bürgermeisters ist. Solche eigentlich sehr interessanten Inhalte halten das Storytelling aber auf Dauer viel zu sehr auf, sodass sich die einzelnen Fälle unglaublich in die Länge gezogen anfühlen. Das fällt insbesondere deshalb so sehr ins Gewicht, da The Silver Case 2425 auch mit seiner Spieltechnik eher negativ auffällt.

Viel Text mit viel unnötigem Ballast

Selbiges betrifft auch The 25th Ward: The Silver Case, denn während die Geschichte rund um die verschiedenen Charaktere im Polizeieinsatz eigentlich interessant genug ist, gibt es auch hier wieder viel zu viel unnötigen Ballast. Das überträgt sich ins Gameplay, das frappierende Ähnlichkeiten zu The Silver Case aufweist. Überwiegend werden uns in beiden Spielen ellenlange Bildschirmtexte vorgelegt, die wir lediglich lesen müssen. Auswahlmöglichkeiten, die die Story zumindest kurzzeitig in eine andere Bahn lenken oder sogar gravierende Auswirkungen haben, gibt es kaum bis gar nicht. Hier verschenken die Entwickler viel zu viel Potenzial. Ob wir bei der Ermittlung aufmerksam sind oder nicht, wird in keiner Weise überprüft.

Außerdem sei gesagt, dass es in The Silver Case 2425 keinerlei deutsche Bildschirmtexte gibt. Beide Spiele liegen lediglich in der eingangs erwähnten englischen Übersetzung vor, für die gute Englischkenntnisse erforderlich sind, da die Erzählungen mit einigen Fachbegriffen um sich schmeißt, die im täglichen Leben selten gefragt sind. Auch wenn es sich bei Visual Novels im Jahr 2021 immer noch um ein Nischengenre handelt, sollte vor allem Publisher NIS America bewusst sein, dass sich mit so einer Praktik auch kaum etwas daran ändern dürfte.

Irrungen und Wirrungen im Spieldesign

Übernehmen wir alle fünf bis zehn Minuten doch einmal die Kontrolle über unsere Spielfigur, können wir in den Gebieten schlauchartig zu bestimmten Punkten gelangen und uns dort umsehen, Gegenstände aufheben oder bestimmte Aktionen vollführen, die zur nächsten relevanten Szene innerhalb der Geschichte führen. Das klingt auf dem Papier recht spaßig, ist es in The Silver Case 2425 aber nicht. Oft irren wir in der Spielwelt herum, da wichtige Elemente nicht sofort ins Auge springen und wir somit oft genug an ihnen vorbeigehen.

Im ersten Spieldrittel von The Silver Case müssen wir beispielsweise einen ängstlichen Besucher in einem Einkaufszentrum finden und ihn daraufhin vom Ort des Geschehens hinausbegleiten. Plötzlich verschwindet dieser erneut und ist auf einmal nirgendwo zu finden. Ohne dass uns das Spiel einen Hinweis darauf liefert, wie wir weiter vorzugehen haben, verzweifeln wir bei der Suche. Die Lösung des Rätsels dürfte euch genauso wie uns verwundern! Wir müssen vor der Rolltreppe stehen und auf Knopfdruck zur gläsernen Überdachung nach oben schauen. Daraufhin spielt sich plötzlich eine Szene ab, in der eine Frau durchs Glas nach unten donnert und stirbt. Da wir sie selbst auslösen, ist diese Szene weder logisch ins Geschehen involviert, noch erhalten wir einen Hinweis darauf: Mal wieder ein sehr gutes Beispiel für schlechtes Spieldesign!

Die Würfel sind gefallen

Damit ist mit den Defiziten von The Silver Case 2425 aber noch lange nicht Schluss, denn auch die Steuerung ist wahrlich ein Graus. Während wir bei Dialogen, Monologen und allen anderen Texteinblendungen ohnehin nichts anderes tun können, als auf den Aktionsknopf zum Weiterklicken zu hämmern, haben wir zumindest in den Bewegungsabschnitten ein wenig mehr Kontrolle. Wenn wir uns bewegen wollen, müssen wir über ein Befehlsrad zunächst den Befehl dazu auswählen. Nach oben und nach unten schauen wir im Übrigen mit der rechten Schultertaste, während beide Sticks für die Bewegungen in alle vier Himmelsrichtungen herhalten. Zudem ist ein weiterer Aktionsknopf extra dazu auserkoren, um ein Aktionsmenü aufzurufen, aus dem wir dann die anzusprechenden Personen oder herumliegende Objekte zum Interagieren auswählen.

The 25th Ward: The Silver Case macht es noch schlimmer: Das Aktionsrad wird hier durch ein dreidimensionales Modell eines vierseitigen Würfels ausgetauscht, wie er beispielsweise aus dem Pen-and-Paper-Rollenspiel Pathfinder bekannt ist. Hier müssen wir den Würfel mit dem Analog-Stick drehen, um den Befehl zu finden, den wir auswählen wollen. Bei aller Liebe zur Stilistik in einem Videospiel: The Silver Case 2425 schießt damit den Vogel ab. Immerhin sind die Bewegungsaktionen im zweiten Teil vereinfacht.

Mutige Inszenierung

In technischer Hinsicht ist The Silver Case 2425 schwierig zu beurteilen. Der Schritt, sowohl Filmsequenzen mit realen Schauspielern, kurzen Anime-Szenen, jeder Menge Standbildern in unterschiedlichen Größen und dreidimensionalen Umgebungsgrafiken miteinander zu kombinieren, ist äußerst mutig. Was bei der Erstveröffentlichung 1999 für Begeisterung sorgte, ist mehr als zwei Jahrzehnte später nur noch unter dem künstlerischen Aspekt sehenswert. Das liegt nicht daran, dass wir das Spiel mit der Grafik anderer Titel vergleichen, sondern alleine an der Tatsache, dass die Bildsprache nicht immer verständlich ist. Außerdem ist der Bildschirmausschnitt in jenen Situationen, in denen wir die Spielfigur aus der Ego-Perspektive bewegen, vor allem in The Silver Case zu klein. The 25th Ward: The Silver Case macht es etwas besser, aber lange noch nicht gut.

Akustisch ist das Duo dafür über fast jeden Zweifel erhaben. Die von Masafumi Takada geprägten Musikstücke untermalen die Ermittlungsatmosphäre hervorragend und erinnern an Klassiker wie Shenmue. Allerdings nutzen sich die Melodien schnell ab, da sie sich ständig wiederholen. Eine Synchronisation gibt es im Übrigen nicht. Stattdessen ertönen Geräusche, als ob jemand auf einer guten, alten mechanischen Tastatur herumtippt. Unterm Strich gilt: Wer mit The Silver Case 2425 Spaß haben will, braucht sehr viel Sitzfleisch und vor allem ein dickes Fell bei den zahlreichen Spieldesignschnitzern.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Schon länger wollte ich mir das Remaster von The Silver Case auf der PlayStation 4 anschauen. Nun dauerte es bis zur Veröffentlichung des Doppelpacks von The Silver Case 2425 auf der Switch, bei dem auch der zweite Teil enthalten ist. Hätte ich mich nur mal nicht so sehr auf das Spiel gefreut! Ich bin nicht der allergrößte Fan von Visual-Novel-Adventures, aber das, was Gōichi Suda mit diesen beiden Spielen verbrochen hat, löst bei mir Kopfschütteln aus. Das Szenario ist vielversprechend, die Charaktere durchaus interessant und die Geschichte packend – allerdings auch nur, wenn diese drei Elemente zusammenarbeiten. Oftmals hält sich das Spiel mit Nebensächlichkeiten und teilweise auch Nichtigkeiten auf, wodurch sich die einzelnen Kapitel für mich unendlich in die Länge gezogen anfühlen. Des Weiteren vermisse ich den spielerischen Anspruch, denn bei dem wenigen Gameplay, das mir in The Silver Case 2425 vorgesetzt wird, stellen sich mir die Nackenhaare auf. Rätsel gibt es so gut wie keine und oft muss ich stundenlang nach der Lösung suchen, die so abstrus ist, dass selbst ein Tipp, den mir das Spiel nicht gibt, kaum hilfreich wäre. Außerdem fällt die Steuerung, auch wenn ich mich mit der Zeit an diese gewöhne, viel zu sperrig aus. Lediglich der Erzählstil, der sowohl auf gemalte Standbilder, kurze Anime-Sequenzen und mit echten Schauspielern gedrehte Filmszenen zurückgreift, kann mich zusammen mit dem Soundtrack halbwegs überzeugen. The Silver Case 2425 ist nur etwas für beinharte Genre-Fans, die sich den Kauf mindestens dreimal überlegt haben.