Live A Live – TEST
Square Enix‘ alter Spielekatalog ist vollgepackt mit tollen Sachen. Viele Spiele sind niemals bei uns erschienen, so auch Live A Live aus dem Jahr 1994.
Das alte Super-Nintendo-Spiel war in Japan ein mäßiger Erfolg und erschien erst gar nicht in anderen Ländern. Noch vor Chrono Trigger setzte das Spiel auf abwechslungsreiche und für japanische Rollenspiele untypische Szenarien und brillierte darin, diese Elemente mit einer guten Portion Charme zusammenzuhalten. Fast dreißig Jahre später fühlt sich das Konzept von Live A Live auf der Nintendo Switch immer noch überraschend frisch an. In Form eines Remakes für die Nintendo Switch spielen wir Live A Live hierzulande nun zum ersten Mal.
Eine bunte Mischung
Die Besonderheit von Live A Live liegt in seiner Szenarienwahl und seiner Spielstruktur. Das Spiel ist nicht linear und erlaubt uns als Spieler die ersten sieben Kapitel in beliebiger Reihenfolge anzugehen. Jedes Kapitel ist eine Art Kurzgeschichte mit eigenen Settings, anderen Figuren und leicht veränderten Gameplay-Mechaniken. Die einprägsamen Szenarien reichen von einem prähistorischen Abenteuer der ersten Menschen, über ein Western-Setting bis hin zu einer Weltraumepisode. Diese bunte Mischung ist eine klare Stärke des Spiels, auch weil die einzelnen Szenarien einen komplett anderen Fokus haben. Während wir zum Beispiel in der Rolle des alten Kung-Fu-Meisters auf der Suche nach seinen neuen Schülern viele Kämpfe bestreiten müssen, fokussiert sich die Geschichte eines kleinen Roboters auf einem Raumschiff fast ausschließlich auf seine Handlung rund um eine außerirdische Spezies und einer geheimen Mission.
Die Kapitelstruktur zwingt sich selbst dazu, kurze Geschichten innerhalb von zwei bis drei Stunden zu Ende zu erzählen. Das birgt einige Vorteile und Nachteile: Was wir auf keinen Fall erwarten dürfen, ist eine klassische Abenteuer-Reise von japanischen Rollenspielcharakteren. Viele Figuren fußen auf Klischees, die es Live A Live erlaubt, sehr schnell klare Rollen zu etablieren, die bei dieser kurzteiligen Spielstruktur vonnöten ist. Der einsame Revolverheld und der weise Kung-Fu-Meister stehen mit ihrem Sprite und Namen genau für das, was die Populärkultur ihnen damals wie heute zugeschrieben hat.
Was wir dafür in bekommen, sind einmal lustige, einmal melancholische Kurzgeschichten der charmanten 16-Bit-Ära, die mit einem klaren Anfang und Ende auf sehr kurzer Zeit viele tolle Momente schaffen. Jeder wird seine eigenen Highlights identifizieren. Selbst Geschichten, die uns nicht wirklich zusagen, sind nach maximal zwei bis drei Stunden vorüber und bieten dennoch eine befriedigende Auflösung oder andere erinnerungswürdige Kniffe. Gibt es einmal größere Abschnitte in der Spielwelt zu erkunden, fallen diese leider oft steril und leer aus. Die meisten Kapitel setzen auf kompakte Gebiete, die umso öfter durchwandert werden müssen.
Zeitlose Rundenkämpfe in allen Zeitepochen
Was sich alle Geschichten teilen, ist das grundlegende Kampfsystem. Die Rollenspielmechaniken sind stark begrenzt. Nur sporadisch finden wir neue Ausrüstung und eine Charakterprogression gibt es bis auf linear erlernte Fähigkeiten nicht. Die Kämpfe machen dennoch Laune, auch weil sie in ihrer Zahl meist nicht störend auffallen. Auf einem gitterförmigen Kampfareal wählen wir rundenbasiert Angriffe aus. Hier und da bewegen wir unsere Figuren übers Spielbrett, um zum Beispiel Flächenangriffe effektiv ausnutzen zu können. Ansonsten gibt es Schwächen gegenüber bestimmten Angriffstypen und Items, die wir gezielt nutzen können. Die Inszenierung der Kämpfe selbst erinnert ebenfalls stark an die 1990er-Jahre. Lediglich die Angriffsanimationen und Bosse brennen regelmäßig Feuerwerke ab und sind ein wirklicher Hingucker.
Maximaler Hörgenuss
Live A Lives Optik beschreibt Square Enix mit dem eingängigen aber quatschigen Begriff „HD-2D“, was so viel bedeutet wie: Hochaufgelöste Pixeloptik unterstützt durch modernen Licht- und Umgebungseffekte. Tatsächlich ist das Spiel deutlich näher am technischen Grundgerüst eines Super-Nintendo-Spiels als noch ein Triangle Strategy oder Octopath Traveler. Das liegt aber sicher auch an der Tatsache, dass es sich um ein Remake handelt. Dieser Fakt bescherte uns auch die Wahl zwischen englischer und japanischer Sprachausgabe und ein neues Radar, das der Wegfindung dient. Letzteres sorgt für stetige Progression und klare Zielfindung, auch weil Grind so gut wie nie nötig ist, schränkt aber die Erkundgunsfreude ein.
Gleichzeitig neu und dennoch alt ist der fantastische Soundtrack, der zu recht einen Eindruck bei den Spielern und in der Geschichte der Videospielsoundtracks hinterlassen hat. Dafür sorgt einzigartige und passende Musik in jedem Kapitel, auch wenn sich schon Figuren und Settings klar an Stereotypen orientieren. Live A Live ist nicht nur für alte Rollenspielhasen interessant, die reduzierten Rollenspiel-Elemente und die wechselhafte Spielstruktur laden alle ein, die ein klassisches japanisches Super-Nintendo-Abenteuer erleben wollen.
Geschrieben von Jonas Maier
Fazit:
Live A Live ist für mich ein Wechselbad der Gefühle, was natürlich an den unterschiedlichen Szenarien liegt. Habe ich anfangs das Pech mit einer für meinen Geschmack schwachen Geschichte zu starten, werde ich von Stunde zu Stunde immer weiter überrascht. Besonders toll finde ich die komplett unterschiedlichen Stimmungen und Inszenierungsformen, die für die jeweiligen Schauplätze passend ausgewählt wurden. Zudem bin ich ein großer Fan der Musik. Die kurzen Geschichten selbst können mich bis zum Schluss mal mehr, mal weniger begeistern, ebenso wie die inhaltliche Zusammenführung im Finale. Nur das Gameplay geht mir im letzten Spielabschnitt etwas auf die Nerven. Die einzigartige Spielerfahrung wie sie Live A Live bietet, ist aber auch diese Abschnitte allemal wert.