Rainbow Cotton – TEST
Fans von japanischen Shoot ’em ups dürften sicherlich schon mal einen Ableger der Cotton-Reihe gespielt oder zumindest von dieser gehört haben. Rainbow Cotton, der fünfte Serienteil, bleibt dabei aufgrund seines teils miesen Spieldesigns mehr schlecht als recht in Erinnerung.
Ursprünglich als Panorama Cotton 2 für den Sega Dreamcast angekündigt, erhielt das Shoot ’em up kurze Zeit vor Release den frischen Titel Rainbow Cotton. Als fünfter Serienteil erschien das Spiel im Jahr 2000 ausschließlich für Segas letzte Heimkonsole – und das auch noch exklusiv in Fernost. Es dauerte also fast zweieinhalb Jahrzehnte, bis der Titel außerhalb Japans offiziell zugänglich war. Gut, bis auf das Seriendebüt Cotton: Fantastic Night Dreams, das immerhin noch für den Neo Geo Pocket Color in Europa das Licht der Welt erblickte, betrifft dieser Umstand eigentlich jede Episode.
Im Gegensatz zu den vorherigen Serienteilen fällt Rainbow Cotton aber wesentlich schwächer aus. So kam es nicht nur dazu, dass sich mit Yūsuke Nemoto einer der an der Entwicklung beteiligten Designer öffentlich für das Spiel entschuldigte, es sollte auch für über zwanzig Jahre der letzte neue Serienteil bleiben. Dies hat unterschiedliche Gründe, wozu aber bestimmt nicht die Erzählweise gehört. Sicherlich mag die Story alles andere als sensationell sein, denn im Grunde geht es nur darum, dass die titelgebende Hexe Cotton Jagd auf den Dämon Tweed macht, um am Ende in den Genuss eines der bonbonartigen Willows zu gelangen. Gelungen sind jedoch die vielen Zwischensequenzen im Anime-Stil, in welcher der abgedrehte Cotton-Humor wirklich gut zur Geltung kommt.
Unschöner Sprung ins 3D-Zeitalter
Durch das Aufkommen von optischen Datenträgern in den 1990er-Jahren waren derlei Anime-Szenen um die Jahrtausendwende zwar nicht unbedingt eine Seltenheit, aber sehr wohl eine angenehme Möglichkeit, die Geschichte voranzutreiben. Wer die Szenen nicht bei jedem einzelnen Spieldurchlauf anschauen will, kann sie natürlich überspringen. Obwohl Rainbow Cotton auf dem Dreamcast lediglich auf Japanisch vorliegt, bietet die Neuauflage immerhin deutsche Untertitel. Eine weitere Entwicklung der 1990er-Jahre war 3D-Grafik – und auch auf diesen Zug springt Rainbow Cotton auf.
Nun ist es allerdings so, dass nicht unbedingt jedem Franchise der Sprung in die dritte Dimension gelingt. Bereits die diskussionswürdige Pseudo-3D-Grafik von Panorama Cotton auf dem Sega Mega Drive hätte Entwicklerstudio Success eine Lehre sein sollen. Auf dem Bildschirm passiert schlicht zu viel. Noch dazu ist das Charaktermodell von der auf ihrem Besen fliegenden Hexe Cotton selbst im 16:9-Bildformat noch immer viel zu groß. Dadurch, dass wir uns wie für Shoot ’em ups üblich nur auf Schienen mit einer festen Kameraperspektive fortbewegen und uns nicht frei im Raum bewegen können, entgeht uns zu häufig, dass irgendwelche Projektile auf uns zu fliegen. Auch Power-ups oder sphärenartig illustrierte Bonuspunkte gehen uns deshalb nur allzu häufig durch die Lappen.
Grundlegend funktionierendes Gameplay
Wäre Rainbow Cotton ein traditioneller Genrevertreter, der aus der zweidimensionalen Seitenperspektive gespielt werden könnte, was 3D-Grafik ja nicht direkt ausschließt, so würde das Spiel deutlich mehr Spaß machen. Im Kern funktioniert es ja auch, denn wir ballern mit Cotton unproblematisch auf alle Gegner, die sich bewegen. Sammeln wir genügend Abschüsse, verbessert sich Cottons Zauberkraft, die anschließend noch mehr Schaden anrichtet. Besondere Gegner hinterlassen Energie zum Heilen oder Kristalle, die wir zum Ausführen von Spezialfähigkeiten einsammeln sollten.
Gelungen ist hierbei, dass wir auch die Kristalle abschießen dürfen, die daraufhin ihre Farbe wechseln. So kommen wir in den Genuss genau des Zauberspruchs, den wir für die zumindest auf dem normalen und hohen Schwierigkeitsgrad knallharten Bossgegner brauchen. Nur die letzten beiden Stages könnten auch Anfänger auf dem niedrigen Schwierigkeitsgrad etwas überfordern. Dafür bieten Rainbow Cotton in gesunden Intervallen unterschiedliche Routen durch die fünf Levels an, wodurch wir uns voneinander abweichenden Herausforderungen der Level-Struktur, kleineren Gegnern als Kanonenfutter und unterschiedlich herausfordernden Zwischenbossgegner stellen dürfen. Trotz der relativ geringen Einspielzeit von circa 45 bis 60 Minuten kommt so doch etwas Abwechslung auf.
Nervenaufreibende Spielmechaniken
Anfangs erwähnten wir bereits den abgedrehten Cotton-Humor, der auch in den dreidimensionalen Spielwelten keinen Halt macht. Allen voran möchten wir hier die Bossgegner hervorheben. Zum Beispiel handelt es sich beim zweiten Obermotz um einen krähenden Riesenhahn mitsamt japanischer Lautmalerei, der uns aus einer halb eingemauerten wie fliegenden Kugel heraus mit allerhand Geschossen das Leben erschwert. Die anderen Bösewichte sind nicht minder kreativ. Erst zum Ende hin wird es mit Sensenmann und Co ein wenig ernster.
Ernst sollten wir das Spiel auch so nehmen, denn je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad ist Rainbow Cotton in Kombination mit Kameraperspektive und Cotton-Modell unfassbar anspruchsvoll. Sterben wir, verlieren wir einen Credit und müssen den Level von Vorne beginnen. Lediglich wenn wir beim Bossgegner krepieren, ist das Spiel gnädiger und lässt uns nur den Kampf wiederholen. Gehen alle Credits alleine oder im Coop-Modus hops, müssen wir das Spiel neu beginnen. Das ist echt nervig! Da es auch keine Passwörter geschweige denn eine Stage-Auswahl oder optional aktivierbare Cheatcodes gibt, verringert dies den Spielspaß. Wer das Gefühl eines Röhrenfernsehers haben will, kann den Retro-Modus aktivieren, bei dem das 4:3-Seitenverhältnis wiederhergestellt und Scanlines genauso wie gewölbte Seitenränder simuliert werden. Ein netter Bonus, der aber nicht über die vielen verpassten Möglichkeiten der Neuauflage hinwegtäuscht.
Geschrieben von Eric Ebelt
Fazit:
Auch wenn so gut wie alle Cotton-Serienteile niemals außerhalb Europas erschienen sind, hole ich die Reihe gerne Stück für Stück nach, um diese Kulturlücke der japanischen Shoot ’em ups für mich zu schließen. Mehr als ein historisch wertvoller Exkurs ist die Neuauflage von Rainbow Cotton allerdings nicht geworden. Auch wenn der fünfte Serienteil der Cotton-Reihe nun im 16:9-Format mitsamt höher aufgelösten Umgebungsgrafiken und Charaktermodellen spielbar ist, so wenig wurde etwas gegen die schon um die Jahrtausendwende kritisierten Aspekte getan. Nach wie vor passiert auf dem Bildschirm zu viel, was in Zusammenhang mit dem viel zu großen Charaktermodell der Protagonistin äußerst ungelenk ist. Oft weiß ich nicht, ob ich den Gegner vor mir getroffen habe. Genauso selten bemerke ich, ob gleich ein Projektil auf Cotton zufliegt und ich lieber ausweichen sollte. Auch Power-ups und Bonuspunkte verpasse ich regelmäßig. Eine Verkleinerung des Charaktermodells und eine verbesserte Kollisionsabfrage bei sammelbaren Elementen hätte Wunder bewirkt. Hinzu kommt, dass das Spiel lediglich bei den Bossgegnern Kontrollpunkte setzt, wodurch etliche wie nervenaufreibende Wiederholungen die Folge sind. An optionale Cheatcodes wie bei vorherigen Neuveröffentlichungen älterer Serienteile wurde nicht gedacht. Für die allergrößten Cotton-Fans ist das vielleicht verschmerzbar, aber alle anderen sollten sich schleunigst nach Alternativen im Genre umsehen.