Panorama Cotton – TEST

1994 war für das Cotton-Franchise ein bedeutendes Jahr, denn nur wenige Monate nach der Veröffentlichung von Cotton 100% erschien mit Panorama Cotton der inzwischen dritte Serienteil. Dieser ändert die Perspektive und erinnert damit stark an Segas Spiel Space Harrier.


Außerhalb Japans ist Panorama Cotton in den 1990er-Jahren nicht erschienen. Fans der titelgebenden Hexe Nata de Cotton mussten entweder zum Import greifen oder bis zum Oktober 2021 auf die eShop-Fassung auf der Nintendo Switch warten. Mit letzterer dürfte wohl kaum jemand gerechnet haben, doch Shoot-’em-up-Liebhaber können den Klassiker nun nachholen. Die Story ist dabei einmal mehr großer Blödsinn. Königin Velvet verhält sich super merkwürdig. Deshalb berichtet die Fee Knit ihrer Schwester Silk davon, die mit Cotton schon einmal die Welt gerettet hat. Für das Verhalten der Königin entdecken die beiden schnell eine Erklärung: Ein verbranntes Bonbon ist Schuld an der Misere! Obwohl Cotton dem Königreich eigentlich gar nicht helfen will, ist sie erzürnt darüber, was ihrer Lieblingssüßigkeit angetan wurde. Entsprechend machen sich Cotton und Silk noch einmal auf, das Böse zu bekämpfen.

Wie gesagt ist auch in Panorama Cotton die Handlung absoluter Humbug, was aber nicht schlimm ist. Kaum ein Shoot ’em up und vor allem nicht aus dieser Zeit hat wohl eine bis ins kleinste Detail ausgeklügelte Story. Hinzu kommt, dass die in schicker 16-Bit-Anime-Grafik gehaltenen Zwischensequenzen lediglich Japanisch untertitelt sind. Wer der Sprache nicht mächtig ist und zudem nicht schnell lesen kann, wird der Geschichte nicht folgen können.

Wechsel in die Verfolgerperspektive

Allerdings wird das Gameplay von Panorama Cotton davon kaum beeinträchtigt, denn die meisten Bildschirmanzeigen und die Menüstruktur sind komplett auf Englisch. Anfänger und Genre-Einsteiger müssen also wirklich keine Angst davor haben, sich nicht im Spiel zurechtfinden zu können. Selbst jüngere Spieler, die einfach herumexperimentieren wollen, werden zum selben Ergebnis kommen.

Im Gegensatz zu den meisten Shoot ’em ups dieser Zeit, die aus der Seiten- oder Vogelperspektive gespielt werden, setzt Panorama Cotton wie der Sega-Klassiker Space Harrier oder das Seriendebüt der Star-Fox-Reihe auf die für die Zeit beziehungsweise das Genre noch relativ neue Verfolgeransicht. So flitzt Cotton zwar auf vorgegebenen Bahnen los, doch dürfen wir sie in alle Himmelsrichtungen bewegen, um den Gegnern, feindlichen Geschossen oder auch Teilen der Level-Architektur auszuweichen. Damit wir dem Chaos Herr werden, müssen wir auf die Feinde mit Dauerfeuer reagieren. Das ist leichter gesagt als getan, denn die Bedienung ist alles andere als zugänglich. Da es kein Fadenkreuz gibt, fällt es schwer, die Feinde aufs Korn zu nehmen. Auch das Ausweichen ist in unseren Augen mehr Glückssache, da viele Projektile und Gegner, die Cotton von hinten attackieren und plötzlich im Vordergrund des Bildschirms erscheinen, nicht rechtzeitig sichtbar sind.

Mit Vollgas durch fünf Stages

Werden wir getroffen, leert sich unsere Lebensenergie und auch die Stärke unserer Zauber nimmt ab. Schicken wir aber genug Gegner hintereinander ins Nirwana, wird unsere Magie wieder gekräftigt und richtet entsprechend mehr Schaden an. Ein interessanter Aspekt von Panorama Cotton ist zudem das Regulieren von Cottons Geschwindigkeit. Wir können auf Knopfdruck – und das zu jeder Zeit – ein bis zwei Gänge hochschalten. Das wirkt sich natürlich wunderbar auf den Zeitbonus aus, wenn wir auf Highscore-Jagd sind. Jede Stelle ist damit aber nicht lösbar, denn besonders wenn wir Teilen der Level-Architektur ausweichen oder stärkere Gegner schnell wegpusten müssen, ist das Schneckentempo wärmstens zu empfehlen.

Bei den illustren Bossgegnern, die mit interessanten Ideen wie einer für das Jahr 1994 sehr detailliert zerstörbaren Panzerung aufwarten, können wir die bis dahin aufgesparten stärkeren Zauber aus dem Ärmel schütteln. In puncto Schwierigkeitsgrad ist das Spiel nicht ohne, doch gerade die angenehme Rückspulmöglichkeit und weitere Komfortfunktionen machen den Titel für jeden Nicht-Masochisten spielenswert. Allerdings kann nicht jede der fünf enthaltenen Stages punkten. Sie sind zwar bunt, bieten aber zu wenige Highlights. Auch beim Soundtrack hätte Komponist Ken’ichi Hirata mehr aus der Mega-Drive-Hardware herausholen können.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Von Panorama Cotton habe ich zufällig ein paar Tage, bevor das Spiel für die Nintendo Switch angekündigt wurde, erfahren. Als Nostalgiker war ich sehr neugierig auf das Spiel, denn der Wechsel in die Verfolgerperspektive erinnert stark an Klassiker wie Space Harrier oder Star Fox. Im Jahr 1994 war das noch ein regelrechtes Novum, was aber nicht unbedingt schlecht sein muss. Panorama Cotton führt das Konzept aber leider nicht zur Vollendung. So fällt es mir schwer, die Gegner ohne Fadenkreuz genau anzuvisieren oder plötzlich auftauchenden Projektilen oder Feinden ausweichen zu können. Auch das Leveldesign ist etwas schwach, da es hier nur wenig Abwechslung gibt. Bunte Farben und flackernde Lichter sind zwar stellvertretend für die Zeit, aber kein Garant für gutes Spieldesign. Hinzu kommt eine kurze Einmalspielzeit von gerade einmal dreißig Minuten, die für Highscore-Jäger aber ausreichend sein sollte. Wer eines der seltensten Mega-Drive-Spiele zu einem humanen Preis nachholen möchte, kann bei der eShop-Version auf der Switch bedenkenlos zugreifen. Auch wenn der Titel trotz seiner Defizite bedingt Laune macht, gibt es definitiv bessere und auch spaßigere Genre-Vertreter.