Spiritfarer – TEST

Ursprünglich wurde das Adventure Spiritfarer vom kanadischen Entwicklerstudio Thunder Lotus Games im eShop der Nintendo Switch veröffentlicht. Fast genau ein Jahr nach dem ursprünglichen Release bekam das Abenteuer im Juli 2021 eine Retail-Fassung spendiert.


In der römisch-griechischen Mythologie bringt der Fährmann Charon die Verstorbenen über den Totenfluss in die Unterwelt. Im Adventure Spiritfarer aus dem Jahr 2020 hat Charon genug von seinem Job und reicht das Zepter an die junge Stella weiter. In ihrer Rolle ist es fortan unsere Aufgabe, verlorene Seelen zu finden, ihre letzten Wünsche zu erfüllen und sogar den Bund der Freundschaft mit ihnen einzugehen. Um dieses Ziel zu erreichen, schippern wir mit unserem Kahn über das weite Meer und steuern verschiedene Inseln an.

Beim Landgang erleben wir kleine Abenteuer und lernen währenddessen die unterschiedlichen Bewohner der Spielwelt kennen. Allerdings heuern nur wenige, dafür jedoch umso stärker ausgearbeitetere Figuren auf unserem Schiff an. Damit sich diese bei uns wohlfühlen, müssen wir ihnen mit sammelbaren Ressourcen eigene Unterkünfte zimmern. Zudem schreien die verlorenen Seelen, die uns in Form von humanoiden Tierwesen erscheinen, regelmäßig nach Nahrung und Liebe. Während eine Umarmung schnell erfolgt, ist das Schwingen des Kochlöffels schon ein wenig schwieriger. Zwar sind Gerichte am Herd schnell zubereitet, doch benötigen wir erst einmal die nötigen Zutaten – und selbst dann isst nicht jedes Tierchen alle Mahlzeiten gleich gern. Zu Beginn ist das zwar etwas nervig, doch lernen wir die illustren Figuren so peu à peu kennen.

Alle Hände voll zu tun

Unser Schiff ist aber kein reiner Ort der Erholung, denn in Spiritfarer wird hier auch ordentlich gearbeitet. So errichten wir Webstühle, Gießereien, Gärten oder Felder, um verschiedene Ressourcen zu Produkten zu verarbeiten. Beispielsweise können wir auf dem Feld Flachs anbauen, woraus wir im Webstuhl Fäden spinnen, die nach einer Aufwertung des Gebäudes dort in nützliche Stoffe verarbeitet werden können. Es stehen uns allerdings nicht von Anfang an alle Gebäudetypen und Verbesserungen zur Auswahl. Diese erhalten wir in der Regel über erfolgreich abgeschlossene Quests oder durch das Aufspüren von Schätzen.

Da uns aufgrund der vielen Gebäude relativ schnell der Platz auf dem Schiff ausgeht, müssen wir dieses in der Werft für gesammeltes Glim, der glitzersteinförmigen Währung in Spiritfarer, vergrößern. So manche verlorene Seele erwartet von uns sogar, dass wir erst ihr Traumhaus auf dem Schiff errichten, bevor sie sich auf die letzte Fahrt begibt. So fahren wir in der Regel von einem Ort zum anderen, plündern unterwegs Treibgut, fangen Blitze in Glasflaschen ein oder angeln Fische und Wertgegenstände aus dem Meer. Hierbei ist uns das Immerlicht, einer Art Universalwerkzeug, von großer Hilfe. Kontextsensitiv verwandelt sich das Immerlicht in eine Gießkanne, eine Säge, eine Sichel oder eine Spitzhacke. Das ist sehr praktisch und unkompliziert!

Entschleunigt, aber überladen

Praktisch und unkompliziert ist auch der Rest von Spiritfarer. Das meinen wir sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Auf der einen Seite ist das Spiel unglaublich entspannend und erinnert durch das Knüpfen von Freundschaften durchaus an Animal Crossing: New Horizons. Es macht Spaß, die Hintergrundgeschichten der Seelen kennenzulernen und durch ihre Aufgaben mehr und mehr in die Spielmechaniken einzusteigen. Der atmosphärische Soundtrack, der uns unter anderem an Filme wie Cinema Paradiso erinnert, tut sein Übriges, damit wir uns in der Spielwelt verlieren.

Auf der anderen Seite artet das Adventure schon nach wenigen Stunden in Arbeit aus. Während einer Fahrt von einem Ende zum anderen der Spielwelt bleibt einfach nicht genügend Zeit, um simultan auf dem Feld zu ackern, im Sägewerk Bretter aus Baumstämmen zu schneiden, Eisenbarren in der Gießerei herzustellen und uns vor allem um alle Seelen zu kümmern. Dadurch entsteht zwar kein Leerlauf, doch sehr schnell kann es vorkommen, dass wir unser nächstes Ziel aus den Augen verlieren und einfach planlos über das Meer schippern. So gelangen wir schnell an Rohstoffe und das Konzept passt im Grunde auch zum entschleunigten Spielfluss, aber so tritt die eigentlich wichtige Aufgabe, die verlorenen Seelen zum Endhafen, der so genannten Immerpforte zu geleiten, in den Hintergrund.

Eine Prise Metroid

Ein wenig orientiert sich Spiritfarer an der Metroid-Reihe, denn manche Inseln können wir nur vollständig erkunden, wenn wir über gewisse Fähigkeiten verfügen. Zu diesen Upgrades gehört unter anderem der Doppelsprung, mit dem wir höher gelegene Plattformen in der vollständig aus der zweidimensionalen Seitenperspektive dargestellten Spielwelt erreichen können. Auch das Gleiten über Abgründe ist später möglich. Lernen können wir diese Fähigkeiten an Schreinen im Austausch gegen Obolusse. Diese erhalten wir, genau wie unser Vorgänger Charon, indem wir die Seelen auf ihre letzte Reise bringen. Auf diese Art und Weise greifen alle Aspekte ineinander, wodurch sich ein verzahntes und stimmiges Gesamtbild ergibt.

Optisch überzeugt Spiritfarer vor allem mit seinem drolligen Charakterdesign und den putzigen Animationen. Ein Großteil der Spielwelt wirkt jedoch eher wie in einem besser aussehenden Flashspiel. Obwohl die Nintendo Switch dadurch kaum gefordert werden dürfte, kommt es vor allem auf dem Schiff häufig zu kleinen Ruckeleinlagen. Diese halten sich aber in Grenzen und stören das Gameplay kaum. Haben wir einen Mitspieler parat, können wir die Arbeit im lokalen Zwei-Spieler-Modus aufteilen. Das macht aber nur bedingt Spaß, da die Kamera aus dem Geschehen viel zu weit hinauszoomt, wenn wir uns voneinander trennen und die Arbeitsteilung vor allem bei Minispielen nicht optimal funktioniert. Online-Modi gibt es nicht.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Spiritfarer ist ein Spiel, das mit seinem entschleunigten Gameplay nicht jeden Nerv treffen wird. So schön die Grundidee und die tiefgründig ausgearbeiteten Charaktere in meinen Augen auch sein mögen, so sehr stört mich das in Arbeit ausartende Sammeln von Ressourcen und Herstellen von Produkten. Leerlauf gibt es für mich so keinen, doch immer dann, wenn ich Spiritfarer länger als eine halbe Stunde am Stück spiele, finde ich mich recht schnell in repetitiven Aufgaben wieder. Diese machen mir auf Dauer nur bedingt Spaß und auch dass die Entwickler ganz bewusst auf brachiale Action wie in Metroid oder Rollenspiel-Elemente wie in den von Metroid inspirierten Castlevania-Titeln verzichten, macht den Umstand nicht besser. Spiritfarer ist dadurch zwar kein schlechtes Spiel, es richtet sich aber eher an eine kleine Zielgruppe, die Spaß daran hat, einfach mal zwischendurch ein paar Minuten an ihrem Schiff zu werkeln, ein bis zwei Inseln anzusteuern, dabei Ressourcen zu sammeln und so über eine längere Zeit hinweg ein paar Erfolge zu feiern. Diese gipfeln in der Verwöhnung von vielen kleinen Geschichten, die vor erwachsenen Themen wie Kommunismus oder der wahren Bedeutung von Familie keinen Halt machen. Aufgrund der kleinen und liebevollen Details wird mir Spiritfarer auch in Zukunft noch gut in Erinnerung bleiben, auch wenn mich das Gameplay nur mäßig begeistern kann.