Star Ocean: The Second Story R – TEST

Unter Fans gilt die zweite Episode der Star-Ocean-Reihe als einer der besten Serienteile. Dem PlayStation-Klassiker von 1998, der 2008 bereits eine PlayStation-Portable-Neuauflage erhielt, spendiert Square Enix als Star Ocean: The Second Story R 2023 ein zweites Remake. Wir haben den Titel vor Release spielen können.


Angesiedelt ist Star Ocean: The Second Story R im 25. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Im Rollenspiel schlüpfen wir wahlweise in die Haut des 17-jährigen Offiziers Claude C. Kenny oder der 16-jährigen Rena Lanford, einer scheinbar einfachen Dorfbewohnerin, die jedoch über besondere Heilfähigkeiten verfügt. Durch einen Zufall wird Claude bei einer Erkundungsmission durch ein mysteriöses Portal auf einen fernen Planten befördert. Dort lernt er Rena kennen, die just bei seiner Ankunft von einer wütenden Bestie attackiert wird. Um sie zu retten, setzt er seinen Photonenstrahler ein. Da ihre Heimat allerdings nicht so weit entwickelt ist wie die Erde, sieht sie in ihm den Helden des Lichts aus einer Legende. Irrtum oder nicht; die Gerüchte machen ihren Lauf und schon bald ist Claude in aller Munde.

Um einen Weg nach Hause zu finden, beschließt er, der Bevölkerung des Planeten Expel zu helfen. Diese wird von fiesen Monstern geplagt, die sich seit dem Einschlag eines Meteoriten und dem Auftauchen der mysteriösen Hexenkugel wie wild vermehren. Zugegeben, die Geschichte von Star Ocean: The Second Story R ist relativ schlicht, motiviert uns aber ausgiebig, in dutzenden Spielstunden Expel zu bereisen, neue Verbündete zu sammeln, die tiefgründig gestalteten Charaktere in unzähligen Dialogen kennenzulernen und gegen bösartige Mächte zu kämpfen.

Mit Dialogen vollgestopftes Rollenspiel

Ob wir uns im Spiel für Claude oder Rena als Protagonisten entscheiden, ist fast schon egal. Die Story verläuft weitgehend gleich. Wir lernen jedoch unterschiedliche Nebenfiguren kennen, wodurch der Titel, nachdem der Abspann über den Bildschirm geflimmert ist, zumindest einen zweiten Spieldurchlauf rechtfertigt. Wer die gefühlt ins Unendliche ausufernden Dialoge in Spielen wie Tales of Arise verteufelt, dürfte sich darüber freuen, dass die Gespräche in Star Ocean: The Second Story R wesentlich kurzweiliger sind. Relativ zügig, aber auch nicht zu schnell, kommen die Charaktere auf den Punkt.

Darüber hinaus können wir viele Dialoge auch außer Acht lassen, wenn wir das Spiel schnell zum Abschluss bringen wollen. Viele Gespräche finden nämlich in den sogenannten privaten Aktionen statt. Sobald wir uns in einer Stadt befinden, können wir die Gruppe auf Knopfdruck aufteilen. In der Rolle von Claude oder Rena können wir entweder eigene Geschichten erleben oder mit den anderen Helden quatschen. Dadurch erfahren wir nicht nur mehr über unsere Gruppenmitglieder, wir verstärken außerdem das Band der Freundschaft, das wiederum in den zahlreichen Kämpfen des Spiels von Bedeutung ist. Verstehen wir uns mit unseren Verbündeten und Freunden gut, profitieren wir in Form von Boni davon. So macht das Rollenspiel im Spiel richtig viel Spaß!

Actiongeladene Kämpfe

Spieltechnisch orientiert sich Star Ocean: The Second Story R am Genrestandard der späten 1990er-Jahre. Das funktioniert aber auch ein Vierteljahrhundert nach der Erstveröffentlichung noch ausgezeichnet. Wir reisen auf einer Oberwelt von einer Stadt zur nächsten, lösen vor Ort das hiesige Problem, erfahren mehr über die Spielwelt und decken uns in den Läden mit aus geplünderten Schatztruhen und aus Kämpfen erbeutetem Geld mit neuer Ausrüstung ein, damit wir uns noch größeren Gefahren stellen können.

In den Kämpfen geht es, wie schon im Vorgänger, der 2019 als Star Ocean: First Departure R ebenfalls ein Remake erhielt, in Echtzeit ordentlich zur Sache. Wir rennen zum Gegner hin, hämmern wie wild auf den Angriffsknopf und entfesseln Spezialangriffe respektive Symbologie, den Magie-Ersatz des Franchises. Angriffe blocken ist ebenfalls machbar und wird mit einer Erholung der Magiepunkte belohnt. Dies ist unserer Erfahrung nach aber eher selten nötig. Wenn wir unsere Gruppe ordentlich trainieren, ihnen die wichtigsten passiven Fertigkeiten beibringen und die Ausrüstung aktuell halten, kommen wir auch als Krawallmacher durch das Abenteuer. Erfreulich ist, dass wir unseren automatisch agierenden Mitstreitern jederzeit ihr Kampfverhalten diktieren und ihnen darüber hinaus exakte Befehle wie den Einsatz eines Zauberspruchs geben können.

Vierfache Erfolgserlebnisse

Neben wertvollen Erfahrungspunkten für die rollenspieltypischen Stufenaufstiege und Geld für die nächste Shoppingtour erhalten wir für die meisten Kämpfe auch Kampfpunkte und Fertigkeitspunkte. Mit Kampfpunkten verbessern wir entweder bestimmte Spezialangriffe oder Zaubersprüche oder verbessern zufällig einsetzende Effekte wie das Ignorieren der gegnerischen Verteidigung. Fertigkeitspunkte verbessern zum einen passive Fertigkeiten, die in Intervallen wiederum Spezialfähigkeiten wie Kochen oder Angeln freischalten. Diese können wir mit der geleisteten Vorarbeit durch das Ausgeben von Fertigkeitspunkten ebenso verbessern.

Es lohnt sich also gleich vierfach, den Kämpfen nicht aus dem Weg zu gehen. Stellen wir es geschickt an, können wir hierbei zusätzliche Boni sammeln. Gegner sind sowohl auf der Weltkarte als auch in Dungeons jederzeit sichtbar. Symbolisiert werden diese über violette Wolkenfetzen. Es ist durchaus möglich, mehrere solcher Wolken für bis zu fünf aufeinander folgende Kämpfe miteinander zu verketten. Dies erhöht die Ausbeute an Erfahrungspunkten enorm. Problematisch ist in Star Ocean: The Second Story R jedoch, dass diese Verkettung nur in seltenen Fällen richtig funktioniert, da die Wolkenfetzen für unseren Geschmack nicht aggressiv genug sind und nach wenigen Metern an unseren Helden das Interesse verlieren.

Ein Mann sieht Rot

Entdecken wir am Horizont ein rotes Wölkchen, sollten wir partout Reißaus nehmen, denn hinter Wolken mit der bekanntesten Warnfarbe der Welt warten häufig richtig starke Gegner. Verlieren wir übrigens einen Kampf, können wir auf dem Game-Over-Bildschirm entscheiden, ob wir noch einen Versuch wagen oder ob wir auf den Titelbildschirm zurückkehren wollen. Stoßen wir also wirklich mal bewusst oder unfreiwillig mit einer roten Wolke zusammen, sollte unser letzter manuell angelegter Spielstand nicht zu weit zurückliegen, um Frust zu vermeiden. Gespeichert wird im Spiel entweder an meist nicht allzu weit entfernten Speicherpunkten oder jederzeit auf der Oberwelt.

Erfreulich ist, dass sich die Laufwege in Star Ocean: The Second Story R in Grenzen halten. Haben wir eine Stadt oder einen Dungeon entdeckt, bleibt dieser in einer Auswahlliste bis in alle Ewigkeit gespeichert. Wollen wir also nur mal schnell zum letzten Händler zurückkehren, ohne dabei eine halbe Weltreise zu machen, klappt das problemlos. Dennoch sollten wir nicht zu häufig Gebrauch von dem Feature machen, denn auch auf der Weltkarte verstecken sich bereits früh Schatztruhen mit zum Teil wirklich guten Ausrüstungsgegenständen. Darüber hinaus gibt es überall Sehenswürdigkeiten zu entdecken, die uns Boni wie Fertigkeitspunkte, besondere Items oder Geld bescheren.

Kleinere technische Unstimmigkeiten

An Inhalten mangelt es Star Ocean: The Second Story R nicht. Wer sich auf das Remake einlässt, kann problemlos vierzig oder mehr Stunden ins Spiel buttern – und hat dabei in unseren Augen deutlich mehr Spaß als an vielen jüngeren japanischen Titeln wie etwa Final Fantasy XVI, die sich westlichen Geflogenheiten anbiedern. Trotz aller Liebe, die ins Spiel geflossen ist, ist es grafisch ein wenig veraltet. So ist an allen Ecken und Enden der Stil der ursprünglichen Version zu sehen, wodurch manche Gebiete einfach zu leer und zu steril wirken. Dafür sind die Spezialeffekte eine kleine Augenweide.

Zu alledem kommt es selbst auf leistungsstarken Systemen zu kleinen Problemen. Zum Beispiel laden manche Objekte wie Büsche oder Bäume zu spät. Das schmälert die sonst dichte Fantasy-und-Science-Fiction-Atmosphäre aber nur bedingt. Gravierend könnten je nach Spielertyp höchstens die fünf bis sieben Sekunden langen Ladezeiten nach jedem einzelnen Kampf in der Nintendo-Switch-Fassung sein. Die PlayStation-5- und die PC-Fassung sind davon nicht betroffen. Auf der PlayStation 5 läuft der Titel zudem durchweg mit sechzig und auf dem PC sogar mit 120, während Switch-Nutzer mit dreißig Bildern pro Sekunde Vorlieb nehmen müssen. Auch wenn die Switch bestimmt mehr leisten könnte, ist die Bildwiederholrate ausreichend.

Aus Alt mach Neu

Beim Spielen haben wir niemals das Gefühl, dass der Titel zu langsam laufen würde. Uns gefällt auch die nahezu unverbrauchte Mischung aus zweidimensionalen Charaktermodellen und dreidimensionaler Umgebung. Wir machen uns eher Sorgen um andere Schwierigkeiten, die aber je nach Spielertyp vielleicht gar nicht so schlimm sind. Beispielsweise tauchen in Dungeons erst dann wieder neue Monster auf, wenn wir ihn verlassen und wieder betreten. In den Kämpfen selbst funktioniert die künstliche Intelligenz unserer Mitstreiter und der Gegner auch nicht immer hundertprozentig. Öfters müssen wir mit ansehen, wie unsere Verbündeten tatenlos zusehen. Den Feinden passiert das auch schon mal. Wem das zu anspruchslos ist, sollte den Schwierigkeitsgrad vielleicht nach oben korrigieren. Unerfahrene oder kampfesmüde Rollenspieler werden hingegen durch einen niedrigeren Schwierigkeitsgrad an die Hand genommen.

Außerdem sei der angenehme, wenn manchmal auch etwas repetitive Soundtrack erwähnt, der uns derart tief in den Kaninchenbau führt, dass wir der Musik manchmal wie in Trance lauschen. Wir können uns übrigens entscheiden, ob uns die originalen Melodien oder die überarbeiteten Stücke um die Ohren fliegen. Selbiges gilt für die englische und die beiden japanischen Synchronfassungen des Spiels. Star Ocean: The Second Story R ist trotz leichter Defizite ein Must-have, das sich Rollenspielfans auf keiner Plattform entgehen lassen sollten.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Star Ocean: The Second Story R ist ein richtig gutes Remake eines japanischen Rollenspiels geworden. Gerade jüngeren Genre-Vertretern zeigt es, wie japanische Rollenspiele optimal funktionieren können. Es macht mir unglaublich viel Spaß, die Welt zu erkunden, mit ihren Bewohnern zu quatschen, meine Gefährten durch private Aktionen viel besser kennenzulernen und schlussendlich meine Helden durch zahlreiche Kämpfe zu stärken, um gegen immer mächtiger werdende Bossgegner gefeit zu sein. Die verschachtelten Gameplay-Mechaniken funktionieren außerordentlich gut, sind trotz der einen oder anderen unklaren Formulierung meistens doch leicht verständlich und bieten genügend Raum, damit das kreative Gruppenspiel so richtig zur Geltung kommt. Auch mag ich den altmodischen wie frischen Grafikstil, auch wenn dieser sicher nicht auf der Höhe der Zeit ist und nicht jeden Nerv treffen dürfte. Hinzu kommt eine tolle Musik, die je nach Aufenthaltslänge an einem Ort aber schnell repetitiv werden kann. Hier hätte ich mir für das Remake einen liebevolleren Umgang gewünscht, damit die in sich geschlossenen Melodien abwechslungsreicher wären. Im Grunde stören mich aber nur wenige Faktoren wie ein paar der zu spät ladenden Umgebungsobjekte, die regelrecht ätzende Nachladepausen nach jedem Kampf in der Switch-Fassung und die gerade auf der Oberwelt massiv auffallende Treppchenbildung im Handheld-Modus. Trotz dieser teilweise vermeidbaren Fehler gehört der Klassiker im Remake-Gewand zu den Titeln, die sich jeder Rollenspieler einmal zu Gemüte führen sollte – ohne Ausnahme.