Sephirothic Stories – TEST

Rollenspiele vom japanischen Unternehmen Kemco werden häufig sehr übereilt veröffentlicht. Da ist es wirklich überraschend, dass teils recht gute Spiele entstehen. Sephirothic Stories zeigt jedoch, dass sich hin und wieder auch weitgehende Totalausfälle nicht vermeiden lassen.

 


Sephirothic Stories erzählt die Geschichte des jungen Kriegers Harold aus dem Dorf Bassus, der mit seinem Echsenmenschenkumpel Izzy in einem Wald auf der Suche nach einem Heilmittel für seine kleine Schwester Marnie ist. Diese leidet an einer Krankheit, die allerdings nur von einer Fee völlig geheilt werden kann. Dementsprechend ändert sich schnell das primäre Ziel, sodass wir eine Fee finden müssen. Ist auch dies geschafft, müssen wir auf einmal den verloren gegangenen Magus aufspüren, der unsere Freundin Clarice vor dem Tod bewahrt hat. So springt die Story des Spiels ständig hin und her, kann sich nicht auf ein klares Ziel festlegen und beginnt daher relativ schnell zu langweilen.

Auch die Charaktere sind nicht sonderlich tiefgründig, unterhalten sich häufig über Nonsens, nehmen die gefährliche Situation nicht immer ernst und entwickeln sich kaum bis gar nicht im Verlauf des Abenteuers weiter. Dabei würde das Szenario um den gigantischen Baum Sephiroth, dessen Früchte sowohl für das Leben als auch das Unheil in der Welt verantwortlich sind, inhaltlich so viel hergeben. In einer der wichtigsten Disziplinen des Rollenspielgenres, eine spannende Handlung mit überraschenden Wendungen und facettenreichen Charakteren zu erzählen, vergeigt Sephirothic Stories bedauerlicherweise von der ersten Minute an eine Chance nach der anderen.

Verpasster Absprung

Im Gegensatz zur mauen Erzählung weiß das Gameplay immerhin halbwegs zu überzeugen. Über eine Oberweltkarte wählen wir den nächsten Zielort aus und beginnen mit dessen Erkundung. Aus der leicht versetzten Vogelperspektive bewegen wir unsere Heldengruppe durch verschachtelte Dungeons und müssen in diesen hier und da ein Rätsel lösen. Dazu gehört beispielsweise das Umpositionieren einer Kiste, damit wir diese als Brücke über einen Abgrund zweckentfremden können, oder das Einsammeln von herumschwebenden Münzen oder Früchten, die an Bäumen hängen. Damit letzteres gelingen kann, dürfen wir in Sephirothic Stories auf Knopfdruck aus dem Stand springen und Objekte einsammeln.

Da die Spielfiguren allerdings sehr hoch springen können, fragen wir uns, warum sie denn nicht einfach über die kurzen Abgründe hüpfen oder so auch andere Anhöhen erreichen können. Auch hier nutzen die Entwickler nicht alle Möglichkeiten, die ihnen zur Verfügung stehen würden. Das Gameplay hätte hier wunderbar aufgelockert werden können. So müssen wir stets den meist schmalen Pfaden folgen, was unweigerlich zu Feindkontakt mit den – sofern wir Harold als Gruppenführer ausgewählt haben – sichtbaren Gegnern einhergeht. Diese bewegen sich allerdings nie und bleiben wie im Klassiker Mystic Quest Legend an Ort und Stelle stehen. Lahm!

Fusionierter Heldenangriff

Beim Kampfsystem werden Rollenspieler aber sehr viel eher auf ihre Kosten kommen. Zwar erfindet Sephirothic Stories das Rad nicht neu, macht aber hier einiges richtig. So ist jeder Charakter und jedes Monster genau dann am Zug, wie es der Geschwindigkeitswert zulässt. Zu erkennen ist dies jederzeit an einer Leiste am oberen Bildschirmrand, sodass mit etwas Taktieren das Besiegen einfacher Gegner möglich ist, ohne dass diese überhaupt einmal zum Zuge kommen. Mit ansteigender Spielzeit verliert das Konzept zunehmend an Bedeutung, da die Lebensbalken der Feinde immer länger werden.

Neben normalen Angriffen dürfen wir die Charaktere sich auch verteidigen, Items einsetzen oder Zaubersprüche ausführen lassen. Je mehr Aktionen im Kampf ausgeführt werden, desto eher ist der Fusionsangriff möglich, bei dem gleich mehrere Attacken hintereinander ausgeführt werden, ohne dabei die normale Kampfreihenfolge zu tangieren. Das ist spaßig und besonders bei den Bosskämpfen eine gute Gelegenheit, die restliche Lebenszeit des Feindes schnellstmöglich zu verkürzen. Für gewonnene Kämpfe regnet es Erfahrungspunkte, mit denen die Helden schließlich im Level aufsteigen und auf diesem Weg neue Fähigkeiten lernen. Hinzu kommen Goldmünzen, die wir bei den Händlern der Spielwelt gegen neue Ausrüstung und nützliche Objekte eintauschen dürfen.

Spielspaßstörende Elemente

In Sephirothic Stories ist es sehr wichtig, stets die bestmöglichen Waffen und Rüstungen zu besitzen. Obwohl das Spiel in den ersten neunzig Minuten den Eindruck eines Spaziergangs erweckt, zieht der Schwierigkeitsgrad mit der Aufnahme des vierten Gruppenmitglieds unerbittlich an. Auf einmal kann eine Monsterhorde unsere Truppe in zwei bis drei Runden völlig vernichten. Wer nicht stundenlang gegen schwächere Gegner zum Aufstufen der Helden vergeuden möchte, darf – wie es bei Kemco-Titeln leider Gang und Gäbe ist – im eShop unter anderem einen dreifachen Erfahrungspunkte-Boost erwerben.

Um die Attribute unserer Helden anderweitig zu verbessern, bleiben nicht viele Optionen übrig. Hin und wieder erhalten wir Samen, die wir aus dem Menü heraus in einem Gartensystem anpflanzen können. Das funktioniert wie in Asdivine Hearts II, sodass jeder eingepflanzte Samen ein wenig Zeit benötigt, um zu einem hilfreichen Kraut zu reifen. Ebenso erhalten wir kleinere Belohnungen in Item-Form, wenn wir In-Game-Erfolge wie das Besiegen einer bestimmten Menge an Gegnern erreichen. Das motiviert zwar, täuscht aber nicht über die Defizite in puncto Story, Gameplay und Technik hinweg. Optisch sieht das Spiel wie ein frühes PlayStation-2-Spiel mit matschigen Texturen aus und akustisch gehen die einzelnen Stücke schnell auf die Nerven. Selbst Genre-Fans sollten um Sephirothic Stories definitiv einen sehr großen Bogen machen!

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

In den letzten Jahren habe ich bei Kemco-Rollenspielen viel Gutes, aber auch viel Schlechtes erlebt. Sephirothic Stories ist ein Spiel, an dem nach Abzug aller Defizite kaum ein gutes Haar bleibt. So wird die Handlung viel zu sprunghaft erzählt, die Charaktere bleiben weitgehend blass und selbst das tiefgründig wirkende Szenario wird kaum thematisiert. Beim Gameplay versuchen die Entwickler, das Abenteuer mit Sprung-, Geschicklichkeits- und Rätselpassagen aufzulockern, die aber allesamt sehr rudimentär und kaum spielspaßfördernd sind. Auch der plötzlich anziehende Schwierigkeitsgrad hätte vermieden werden können, wenn Kemco von albernen Mikrotransaktionen absehen würde. Warum sich außerdem die Technik an PlayStation-2-Titeln orientieren soll und noch nicht einmal ansatzweise deren audiovisuelle Qualität erreicht, ist mir ein Rätsel. Mit Sephirothic Stories ist es selbst für hartgesottene Rollenspieler schwer, wirklich Spaß zu haben. Da gibt es auf der Switch wesentlich bessere Alternativen, selbst aus dem Hause Kemco.