Mario Paint – TEST

Dass Nintendo nicht erst seit DS- und Wii-Zeiten an innovativen Videospielkonzepten gearbeitet hat, mag für den einen oder anderen sicherlich überraschend sein. Unter anderem gelang es dem japanischen Konzern bereits 1992 mit Mario Paint ganz neue Wege zu gehen.


Rückblickend betrachtet gibt es wohl kaum einen Sport oder Beruf, den Mario durch Spiele, Manga, Zeichentrickserien und Co noch nicht ausgeübt hat. Im Jahr 1992, und damit je nach Land noch relativ zu Beginn der Super-Nintendo-Ära, gesellte sich mit Mario Paint der Beruf des Künstlers dazu. Ausgeliefert in einer großen Spielverpackung lag der innovativen Software auch die Super-Nintendo-Maus bei, die zum Spielen zwingend notwendig ist. Einmal an das Super Nintendo Entertainment System angeknipst, startet das Spiel unverzüglich – schon auf dem Titelbildschirm können wir den Cursor bewegen und damit Quatsch anstellen, wenn wir die Buchstaben des Mario-Paint-Schriftzuges anklicken.

Was genau passiert, solltet ihr aber lieber selbst ausprobieren, denn das Spiel lädt regelrecht zum Experimentieren ein. Die Software macht so mehr als deutlich, dass sie anders sein will als die Plattformer, für die Super Mario und seine Freunde zum damaligen Zeitpunkt fast ausschließlich bekannt waren. Ebenfalls will sie nicht mit Bildbearbeitungsprogrammen und dergleichen in einen Topf geworfen werden, denn nach wie vor steht der spielerische Ansatz mit einem gewissen Lerneffekt im Mittelpunkt. In der Retrospektive fällt allerdings auf, dass es Mario Paint mit heutiger Software aufgrund seines marginalen Funktionsumfangs leider nicht ganz mithalten kann.

Mächtiges, aber limitiertes Werkzeug

Zu Beginn der 1990er-Jahre ist die durchaus rasante Entwicklung, die Videospielkonsolen- wie Computerhardware zumindest in den nächsten zwei Dekaden durchmachen mussten, aber noch nicht absehbar. Umso aufregender ist es, sich auf die mutmaßlich schwächere Software auch Jahrzehnte später einzulassen. Haben wir den Startbildschirm verlassen, landen wir auch schon auf der Arbeitsoberfläche, die im Grunde nichts weiter als eine weiße Leinwand ist. Ein primäres Ziel gibt es in Mario Paint nicht, denn in der Rolle des Malers haben wir in künstlerischer Hinsicht freie Bahn. Wir wählen aus einer Palette von fünfzehn Farben und über fünfundsiebzig Mustern, mit denen wir die Leinwand bekritzeln oder besprühen dürfen. Ebenfalls können wir abgeschlossene Räume zeichnen, die wir auf Maustastendruck einfärben.

Während unsere Arbeiten bestenfalls als grausam zu bezeichnen sind, ist die Software für Menschen mit einer kreativen Ader dennoch ausreichend, um Kunstwerke wie in Art Academy: Atelier zu schaffen. Ein Blick ins Internet genügt, um zu sehen, welche hochwertigen Ergebnisse durch Mario Paint herauskommen können. Zum Glück bietet die Software auch ein paar Vorlagen. Hier können junge oder zumindest ungeeignete Künstler wie wir unter anderem einfach ein Motiv aus Super Mario World ausmalen und trotzdem ihren Spaß dabei haben.

Als die Bilder das Laufen lernten

Bis auf wenige Stellen kommt Mario Paint auch ohne Texte aus. Stattdessen setzt die Software auf eine Symbolik, die aber erst einmal durchschaut werden will. Ein Glück, dass mit einem Klick auf das Hunde-Symbol die letzte Funktion rückgängig gemacht wird – für mehr reichte die Hardware-Power des Super Nintendos offenbar nicht. Spielt ihr den Titel auf der Switch oder Switch 2 in der emulierten Fassung, könnt ihr die Software ja auch ganz einfach austricksen und zurückspulen, sollte der Notfall eintreten. Eine coole Möglichkeit von Mario Paint ist die Erstellung eines eigenen Stempels. Pixelgenau können wir bestimmen, wie dieser aussehen soll, bevor wir ihn auf der Leinwand unterbringen.

Mario Paint ist jedoch nicht einfach nur eine Bildbearbeitungssoftware. Rudimentär eignet sich der Titel dazu, eigene Videoanimationen aufzunehmen, indem wir fast schon daumenkinoartig die einzelnen Bilder der Animation erstellen. Dies ist durchaus zeitaufwendig und wäre mit Hilfe moderner Software Jahrzehnte nach Release des Spiels sicherlich einfacher umsetzbar. Wir fragen uns aber, wo wohl denn der Spaß bliebe, wenn wir die Animationen nicht punktgenau ausarbeiten würden und der eingeschalteten Fahrstuhlmusik lauschen würden, die unaufhörlich im Hintergrund zu hören ist und für einen ähnlich hitverdächtigen Ohrwurm wie der Wii-Shop-Kanal sorgt.

Wunderbare Kompositionen

Apropos Musik: Eines der coolsten Features von Mario Paint dürfte das Ausarbeiten eigener Musikstücke sein. Auf einer Notenzeile ordnen wir mittels Mauszeiger verschiedene Symbole wie Marios Kopf, Supersterne, Feuerblumen, Flugzeuge, Schiffe oder Hunde und Katzen an. Jedes Icon macht ein anderes Geräusch, wodurch sich wirklich ganz verrückte Kompositionen erstellen lassen. Falls ihr das nicht glaubt, solltet ihr mal Videoplattformen wie Youtube aufsuchen, wo ihr viele Retro-Neuinterpretationen bekannter Musik findet, die mit Mario Paint erstellt worden sind. Musikalisch begabte Spieler dürften gerade in diesem Modus sehr viel Zeit verbringen – oder nicht zuletzt in einem Minispiel, in dem wir mit einer Fliegenklatsche garstige Insekten totschlagen.

Hierbei sind dann auch wirklich sehr gute Reflexe gefragt, denn sobald wir nur kurz zögern, stechen die größeren Exemplare der Biester zu. Gerade bei diesem Minispiel fällt auf, dass ihr für die Maus unbedingt eine flache Oberfläche braucht. Während die Super-Nintendo-Fassung ohnehin mit einem Plastikmauspad ausgeliefert wurde, ist es bei der Version für die Switch ein wenig komplizierter. Auf der Switch brauchen wir zwingend eine USB-Maus und können das Spiel so nur im stationären Betrieb der Konsole angehen. Spielen wir es auf der Switch 2, so können wir auch einen Joy-Con 2 nutzen – aber dann lieber nicht auf dem Oberschenkel, sondern auch auf einer dafür vorgesehenen Oberfläche.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Mit Mario Paint hatte ich in meiner Kindheit und frühen Jugend sehr viel Spaß. Zwar habe ich mich aufgrund fehlender Geduld nie abgemüht, wirklich tolle Kunstwerke zu schaffen, aber ein wenig herumkritzeln, Animationen und Kompositionen entwerfen, hat mir trotz allem Freude bereitet. Da ich erst recht spät einen eigenen Computer hatte, war dies für mich die einzige Möglichkeit, digital kreativ zu werden. In der Nintendo-Switch-Online-Fassung hat der Titel nichts von seiner Faszination verloren, zumal ich auch ein absolut großer Fan des enthaltenen Minispiels bin. Insekten aus dem Verkehr zu räumen war noch nie so spaßig wie in Mario Paint. Heutzutage gibt es für Audio- und Bildbearbeitung sicherlich bessere Programme mit deutlich mehr Tiefgang und vielfältigen Funktionen, aber Mario Paint zeigt sehr gut, wie es Nintendo in den frühen 1990er-Jahren gelungen ist, Spielspaß mit Zugänglichkeit zu paaren. Wer eines der ersten „richtig innovativen“ Super-Nintendo-Spiele erleben will, kommt um Mario Paint definitiv nicht herum – und sei es auch nur, um das Minispiel auszuprobieren, das ich gar nicht oft genug erwähnen kann.