Minit – TEST

Ungewöhnliche Spielideen verleihen vielen Spielen ihre Eigenständigkeit. Was in der Theorie gut oder gar genial klingt, kann in der Praxis andere Züge annehmen. Minit kann mit seinem Konzept einerseits überzeugen, andererseits aber auch ganz schön zur Weißglut treiben.


In Minit schlüpfen wir in die Haut eines nicht näher definierten Schnabeltiers in einer Welt, die nur von Tieren bewohnt wird. Viel kann der Protagonist mit seinen Fähigkeiten zumindest zu Beginn des Spiels noch nicht anfangen. Sobald wir am Strand jedoch erst einmal das angespülte Schwert aufheben, ändert sich für das Schnabeltier das ganze Leben. Was wie der Auftakt zur epischen Weltenrettung klingt, entpuppt sich kurz darauf als hinterlistiger Fluch. Das Schnabeltier hat nur noch sechzig Sekunden zu leben – und genau die Zeit bleibt uns, um das Spiel durchzuspielen. Wie im Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ erwacht die Spielfigur nach jedem einzelnen Ableben allerdings wieder in ihrem trauten Heim, nur um im nächsten Moment überrascht festzustellen, dass die sechzig Sekunden immer und immer wieder gnadenlos herunterticken.

Diese Zeitspanne sollten wir jedes Mal ohne Verschnaufpause nutzen, um in der zweidimensionalen Spielwelt aus der leicht versetzten Vogelperspektive das Schnabeltier zu unterschiedlichen Orten wie einer Wüste oder einem Leuchtturm zu lenken, neue Fähigkeiten zu erlernen und damit zuvor unzugängliche Plätze aufzuschließen. So können wir mit dem Schwert Gras mähen und gefräßige Krabben töten, wofür wir in einem Restaurant einen Kaffee als Belohnung erhalten. Mit genügend Koffein intus ist es uns danach möglich, schwere Kisten zu verschieben, womit wir anderswo eine Taschenlampe für dunkle Höhlen finden.

Mühseliges Spielkonzept

Zwar erinnert diese Rätselmechanik ein wenig an die beiden Fairune-Ableger, doch in Minit rücken die Kämpfe gegen Monster stark in den Hintergrund. Die wie in den Game-Boy- und Game-Boy-Color-Ablegern der The-Legend-of-Zelda-Reihe in einzelne Bildschirme aufgeteilte Spielwelt will in erster Linie erkundet werden. Bei den ersten Gehversuchen ist es kaum möglich, trotz minimalistischer schwarzweißer Pixel-Grafik mit einstellbaren Kontrastwerten auf Anhieb eine Lösung für das nächste Problem zu finden. Nach und nach setzt sich die Welt jedoch plausibel zusammen, sodass gezielt nach dem nächsten Puzzle-Teil gesucht werden kann.

Grundsätzlich macht diese Rätselmechanik nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip eine Menge Spaß, da sie motiviert, die Welt gründlich abzusuchen und verstehen zu lernen. In vielen Fällen verstecken sich hinter unscheinbaren Dingen auch Geheimnisse – und nur wer sich die Zeit nimmt, ein Gebiet genauestens unter die Lupe zu nehmen, freut sich über zusätzliche Extras wie eine verlängerte Energieleiste. Diesem tollen Konzept steht der zwiespältige Timer in der oberen linken Ecke gegenüber: Kaum haben wir den nächsten Schritt in einen frischen Bereich gesetzt, müssen wir das neue Gebiet erst einmal verinnerlichen. Viel zu häufig reicht die Zeit nicht aus, um das Areal zu erkunden, sodass nach dem Tod des Schnabeltiers ein maximal sechzig Sekunden langer Laufweg zur Fortsetzung ansteht. Sehr mühselig!

Wir haben doch keine Zeit!

Minit ist ein Spiel, das es definitiv nicht jedem recht machen kann. Entweder gefällt einem das interessante Spielkonzept oder eben nicht. Trotz späterer Abkürzungen, einem Selbstmordknopf oder neuer Rücksetzpunkte können diese Laufwege gemütliche Spieler erheblich nerven oder gar frustrieren, da sie aus der Atmosphäre reißen. Profis und Speedrunner finden in Minit hingegen ihren persönlichen goldenen Gral, da jeder falsche Schritt bis zu einer ganzen Minute wertvolle Zeit kosten kann. Hinzu kommt, dass in der Theorie durch das ständige Zurücksetzen zum letzten Kontrollpunkt auch andere Wege ausprobiert und neue Geheimnisse entschlüsselt werden können. Wer sich jedoch einmal an einer Stelle verbissen hat, wird in der Praxis wohl kaum einen anderen Weg zum Ziel einschlagen wollen, was mitunter zum verzweifelten Absuchen der Spielwelt führen kann.

An einer Stelle müssen zum Beispiel mehrere verschollene Hotelgäste eingesammelt werden – einen dieser Gäste konnten wir bei unserem ersten Spieldurchgang eine Viertelstunde lang nicht finden, da der Nicht-Spieler-Charakter nur in den letzten zehn Sekunden des Schnabeltierlebens aus dem Versteck kommt! So etwas verrät Minit zwar leider nicht, doch spielen Zufälle glücklicherweise nur eine untergeordnete Rolle. Wer sich mit dem diskussionswürdigen Zeitschleifenprinzip anfreundet, wird mit Minit dank freischaltbarer Inhalte und angenehmen Soundtrack sehr viel Spaß haben. Alle anderen sollten sich lieber nach besseren Vertretern des Action-Adventure-Genres umschauen.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Minit erzählt eine so spartanische Handlung, dass diese wie eine Schablone auf den ebenfalls minimalistischen Grafikstil übertragen werden kann. Besonders viel Spaß macht die Rätselmechanik des Titels, die untrennbar mit der Spielwelt verbunden ist. Mit neuen Items lassen sich neue Wege erschließen und das motiviert zunehmend, da die Welt von Minit nach und nach verständlicher erscheint. Die Krux an diesem Konzept ist jedoch, dass für das Erkunden oder zumindest das Watscheln von einem Kontrollpunkt zum nächsten maximal sechzig Sekunden zur Verfügung stehen, da das Schnabeltier sonst immer und immer wieder dem tödlichen Fluch zum Opfer fällt. Oft reicht die Zeit nicht aus, um den nächsten Schritt zur Rätsellösung zu gehen oder sich mit einer frischen Umgebung wie einer angeblich endlosen Wüste vertraut zu machen. Dadurch wird Minit zwar nicht unspielbar, Frustresistenz sollte aber unbedingt mitgebracht werden, um das letzte Fünkchen Spielspaß aus dem Action-Adventure in Retro-Optik zu holen.