Minute of Islands – TEST

Auf den ersten Blick weckt Minute of Islands den Eindruck eines bunten, fröhlichen Plattformer-Adventures. Doch die schöne Comic-Grafik täuscht und hinter der malerischen Fassade verbergen sich eine emotionale, düstere Geschichte und tiefe menschliche Abgründe.


Minute of Islands ist das neue Adventure vom deutschen Studio Fizbin, die auch die beiden für Switch erschienen Point-&-Click-Abenteuer The Inner World und The Inner World: Der letzte Windmönch verantworteten. Schon bei den beiden klassischen Genre-Vertretern hat sich das Team bei Studio Fizbin einigen ernsteren Themen angenommen. Minute of Islands ist jedoch komplett auf eine bedrückende und nachdenklich stimmende Geschichte ausgelegt. Dabei befasst sich das Adventure, das auch als Puzzle-Plattformer bezeichnet werden könnte, mit der Schwierigkeit loszulassen und dem Festhalten an altem, selbst wenn dadurch Schmerz verursacht wird. Statt leichtgängige Kost präsentiert Minute of Islands eine emotionale Erfahrung, die sicherlich nicht für jeden geeignet ist. Leider kann das minimalistische Gameplay nicht mit der hochwertigen audiovisuellen und erzählerischen Seite mithalten.

Insel-Rettung um jeden Preis

In Minute of Islands schlüpfen wir in die Rolle von Mo, deren Aufgabe es ist, uralte Maschinen, die von Riesen betrieben werden, am Laufen zu halten. Nur so kann sie ihre Heimatinseln vor giftigen Pilzsporen bewahren und für saubere Luft sorgen. Aber die Riesen sind schon alt und nähern sich dem Ende ihrer Kräfte. Als eines Tages sämtliche Luftfilter ausfallen, drohen die vier urzeitlichen Wesen zu ersticken. Es ist an Mo, die verschiedenen Inseln zu besuchen, die Luftfilter wieder in Ordnung zu bringen und anschließend die Riesen wieder einen nach dem anderen aufzuwecken. Auf ihrer Reise begegnet sie den letzten Menschen, die noch nicht von den Inseln geflohen sind und die alle eine emotionale Beziehung zu Mo haben. Die Verbissenheit der Heldin in ihre Aufgabe und ihre Überzeugung, nur sie könne die Rettung bringen, lassen die schwelenden Konflikte deutlich erkennen und unterstreichen den Schmerz, den Mo sich und ihren Liebsten zufügt.

Bei der Geschichte überzeugt Minute of Islands, wie Eingangs erwähnt, ohne große Schwächen. Wir werden in die Abgründe von Mos Leben hineingezogen, lernen ihren verbissenen Glauben an ihre Aufgabe kennen und erfahren viel über ihre Familie, den Schmerz, den sie alle empfinden, und wie sehr sich die Heldin selbst schadet. Bereits beim Spielstart weisen die Entwickler auf die verwendeten Themen wie psychischen Krankheiten oder selbstverletzendes Verhalten hin. Zwar verarbeitet Minute of Islands vieles davon als Metapher in einer interessant erzählten Fantasy-Geschichte, dennoch ist die Handlung alles andere als fröhliche Unterhaltung, sondern kann durchaus unter die Haut gehen. Belohnt werden wir aber genauso mit der gut erzählten Geschichte und wenigen, dafür tiefgründig ausgearbeiteten Charakteren.

Wenig Gameplay

Problematischer wird es beim Gameplay. Mehr als in wirklich schicker, handgezeichneter 2D-Grafik die Inseln erkunden, optionale Erinnerungen einsammeln, kaum nennenswerte Sprungpassagen absolvieren und genauso wenig anspruchsvolle, seltene Rätsel lösen, machen wir in Minute of Islands nicht. Gegner gibt es genauso wenig wie eine richtige Herausforderung. Angesichts der geschichtslastigen Ausrichtung und der hohen Qualität der Erzählung, stört das aber kaum. Nur der repetitive Ablauf kann mit der Zeit etwas zu eintönig werden, wodurch sich das Spiel gegen Ende zeitweise etwas in die Länge gezogen anfühlt. Da auch die Geschichte nur bedingt Spielspaß im klassischen Sinn bietet, muss sich jeder gut überlegen, ob die bedrückende und emotionale Erfahrung das richtige ist. Für alle, die sich darauf einlassen, bietet Minute of Islands aber ein einzigartiges Erlebnis.

Verpackt ist Mos Abenteuer in einen schicken Comic-Stil, der sich optisch abhebt und nicht mit Details spart. Spätestens wenn wir die Tiefen unter den Inseln erstmals verlassen, wird offensichtlich, wie detailverliebt die Umgebungen gestaltet sind. Die grundsätzlich schöne Landschaft wird allerdings nicht nur von den Anzeichen verfallener Gebäude oder den todbringenden Pilzsporen getrübt, sondern beispielsweise auch von einem riesigen Walkadaver inklusive heraushängender Gedärme. Leicht verdaulich ist Minute of Islands also auch optisch nicht. Das unterstreicht aber wunderbar die grundsätzliche Stimmung des Spiels. Ähnliches gilt für den zwar eher zurückhaltenden, aber stets passenden und die sowieso gelungene Atmosphäre perfekt unterstreichenden Soundtrack, der das audiovisuelle Erlebnis von Minute of Islands gemeinsam mit den gut geschriebenen deutschen Texten wunderbar abrundet.

Geschrieben von Alexander Geisler

Fazit:

Aufgrund der beiden The-Inner-World-Spiele und der schönen Comic-Grafik war ich schnell an Minute of Islands von Studio Fizbin und Publisher Mixtvision interessiert. Allerdings habe ich eine weitaus weniger ernste, bedrückende und emotionale Geschichte erwartet. Das ist keinesfalls negativ gemeint. Minute of Islands schafft es hervorragend eine tiefgründige Handlung mit ausgearbeiteten Charakteren zu erzählen ohne dabei den Holzhammer herauszuholen. Gerade diese Stärke ist es, die das Adventure ausmacht und die mich dazu verleitet immer weiterzuspielen. Ich wollte einfach wissen, wie Mos Reise endet. Das eher simple Gameplay hat mich meist nicht gestört. Nur im letzten Drittel zieht sich das Spiel ein wenig. Wirklich nervig wird das aber nie, auch dank der fesselnd erzählten Geschichte mit all ihren Metaphern. Doch gerade deshalb ist Minute of Islands ein Nischentitel, der sich auf keinen Fall für alle eignet. Nur wer sich auf die Storyerfahrung einlassen möchte, weitgehend ausbleibenden Spielspaß im klassischen Sinn akzeptiert und das maue Gameplay hinnehmen kann, wird mit Minute of Islands etwas anfangen können. Dafür wartet als Belohnung eine vielleicht nicht übermäßig lange, aber um so bewegendere Geschichte über Selbstverleugnung, die Schwierigkeit loszulassen und selbst sowie fremd zugefügten Schmerz.