Trials of Mana – TEST

1995 erschien mit Seiken Densetsu 3 in Japan eines der schönsten Rollenspiele seiner Zunft. Das seit 2019 als Trials of Mana bekannte Spiel schaffte nach 24 Jahren endlich den Sprung nach Europa und Nordamerika. Nur ein Jahr später verblüfft Square Enix einmal mehr und reicht zu diesem Klassiker eines der besten und vor allem sinnvollsten Remakes nach.


Angesiedelt in einer mittelalterlichen Fantasy-Welt schildert das Rollenspiel Trials of Mana die Schicksale von sechs Helden. Welche Geschichten dabei genauer beleuchtet werden, hängt stark davon ab, für welchen Haudegen wir uns zu Beginn des auf über dreißig Spielstunden ausgelegten Abenteuers entscheiden. Neben dem Protagonisten dürfen wir zudem zwei Begleiter aus dem Sechserpack ernennen, die sich uns im Handlungsverlauf anschließen. Die nicht für die Gruppe auserkorenen Recken tauchen in der Spielwelt nur als Randnotiz auf.

Entscheiden wir uns beispielsweise für den Ritter Durand, erleben wir im Auftakt hautnah mit, wie seine Heimatstadt Valsena vom ominösen Purpurmagier mitsamt Schergen attackiert wird. Geplagt von Schuldgefühlen, seine Kameraden beim Angriff nicht beschützen zu können, zieht er hinaus in die Welt, um neue Stärke zu sammeln. Wollen wir stattdessen lieber mit der zunächst zauberunfähigen Magierin Angela starten, erfahren wir hingegen, wie ihre Nation Altena den fürchterlichen Angriff auf Valsena plant und sie dabei geopfert werden soll. Da sie sich nirgends zugehörig fühlt, zieht auch sie aus in die Welt. So und nicht anders lassen sich die Hintergründe der Helden erklären, von denen jeweils zwei Charaktere, wie am Beispiel von Durand und Angela zu erkennen ist, einen gemeinsamen Feind haben, denen sie sich für ihre persönliche Entwicklung stellen müssen. Das erhöht den Wiederspielwert von Trials of Mana enorm, wenn das Remake hier sogar einen kleinen Schritt weiter als das Original geht.

Inflationäre Erkundung der Spielwelt

Während Trials of Mana auf dem Super Nintendo den Prolog exklusiv dem gewählten Helden vorbehält, können wir uns im Remake kurz nach der ersten längeren Begegnung mit unseren Mitstreitern auch dafür entscheiden, ihren Prolog nachzuspielen. Schade ist hierbei lediglich, dass wir die gesammelten Erfahrungspunkte, Gegenstände und Lucre, der Währung der Fantasy-Welt, nicht ins laufende Spiel übertragen können. Das macht ein wenig die Immersion des Spiels kaputt, die äußerst gut gelungen ist. Während wir die Super-Nintendo-Version vollkommen aus der leicht versetzten Vogelperspektive spielen, steuern wir unseren Helden im Remake bis auf wenige Ausnahmen aus der Third-Person-Perspektive.

So haben wir sehr viel mehr das Gefühl, mitten im Geschehen zu sein, da wir ständig dazu angehalten werden, auch mal hinter ein Haus, einen Baum oder Sträucher zu schauen, um auch keine Schatztruhe oder Kleinkram zu übersehen. Den Entwicklern ist es vortrefflich gelungen, das Spielgefühl des ursprünglichen Werks von 1995 ins Jahr 2020 zu übertragen und angenehm zu gestalten. Auch wenn wir im Gegensatz zum Original mit Items inflationär überhäuft werden, macht das Erkunden bis in die letzten Winkel der Spielwelt sehr viel Spaß. Da können wir dem Spiel auch das fehlende Übertragen des Spielfortschritts aus den Prologen der beiden Begleiter verzeihen, da die Schatzsuche von der ersten bis zur letzten Minute voll und ganz überzeugt.

Breitgefächerte Individualisierungsmöglichkeiten

Ein weiterer und noch viel wesentlicher Aspekt von Trials of Mana sind die zahlreichen und vor allem actionreichen Echtzeitkämpfe, in denen es jetzt auch auf Sprungattacken und Ausweichen ankommt. Sobald wir eine Örtlichkeit verlassen, lauern auf der Straße zwischen den Städten und Dörfern mal mehr und mal weniger gefährliche Monster auf uns. Diese bearbeiten wir auf der einen Seite mit gewöhnlichen und heftigen Angriffen und auf der anderen Seite mit Spezialtechniken und Magie. Je mehr wir kämpfen, desto mehr Energie sammeln wir durch das Aufsammeln von kristallsplitterartigen Objekten an, um so kräftige Attacken zu entfesseln. Zaubersprüche verbrauchen hingegen Magiepunkte, doch egal für welche Angriffsmethode wir uns auch entscheiden, die Fähigkeit müssen wir vor dem Einsatz durch Stufenaufstiege erlernt haben.

Für jedes Level-up erhalten wir Lernpunkte, die wir in verschiedene Kategorien investieren dürfen. Um bestimmte Zaubersprüche zu erlernen, ist es zudem nötig, zuvor den dazugehörigen Elementargeist aufzuspüren, über die wir jedoch alle im Verlauf der Handlung zwangsweise früher oder später stolpern. Hier unterscheiden sich die beiden Versionen von Trials of Mana aber stark, da auf dem Super Nintendo beim Stufenaufstieg lediglich einzelne Attribute verbessert werden. Zudem sind dort direkt alle Zaubersprüche für die magiebegabten Helden verfügbar, sobald der jeweilige Elementargeist mit von der Partie ist. Im Gegensatz dazu lässt das Remake mehr Individualisierungen zu.

Programmierbare Begleiter

Ein großer Pluspunkt des Remakes ist allerdings, dass die Auseinandersetzungen mit der fantasievollen Monsterfauna wesentlich flüssiger ablaufen als im ursprünglichen Rollenspiel. Während im Original bei der Verwendung eines Items oder beim Wirken eines Zauberspruchs die Zeit eingefroren wird, um das Augenmerk auf die Effekte zu legen, fällt diese Wartezeit im Remake glücklicherweise weg und radiert damit einen nicht mehr zeitgemäßen Makel aus. Wir freuen uns allerdings auch darüber, dass sich Square Enix an alte Tugenden erinnert und das Ringmenü aus der Versenkung der Rollenspielwelt zurückgeholt hat.

Wollen wir eine Aktion abseits eines vorher auf vier respektive acht Slots festgelegten Befehls ausüben, öffnen wir das ringförmige Menü am unteren Bildschirmrand und dürfen in aller Seelenruhe unseren nächsten Schritt planen. Dies gilt im Übrigen auch für unsere beiden Mitstreiter, denen wir so im Kampf Befehle erteilen dürfen. Es sei denn, wir wollen sie lieber selbst kontrollieren und wechseln auf Knopfdruck einfach zwischen den Figuren. Daneben ist es aber auch problemlos möglich, die Begleiter vorab zu programmieren. So dürfen wir unter anderem einstellen, bis zu welchem Prozentsatz an Magiepunkten sie Zaubersprüche wirken dürfen, sie eher offensiv oder defensiv agieren sollen und wie der Einsatz von Gegenständen geregelt ist. In der Praxis funktioniert das ordentlich, doch auf der sicheren Seite sind wir natürlich nur, wenn wir das Kampfgeschehen stets selbst analysieren und somit zum richtigen Zeitpunkt auch eingreifen. Die Zwei-Spieler-Option des Originals wurde ersatzlos gestrichen.

Sinnvolles Remake trotz technischer Defizite

Obwohl die märchenhafte Story im Jahr 2020 keinen Preis für Originalität gewinnt, erreicht der Titel eine solide Spieltiefe. Vor allem der mehrfache Klassenwechsel, der im Remake sogar rückgängig gemacht werden kann, sticht positiv hervor. Die Gefahr, eine schlechte Entscheidung zu treffen, die in der 16-Bit-Version fatal sein kann, gehört der Vergangenheit an. In sonstigen Belangen fühlt sich Trials of Mana wie ein japanisches Rollenspiel der 1990er-Jahre an, das an heutige Standards angeglichen wurde. So begrüßen wir, dass das chaotische und verschachtelte Menü einem aufgeräumten und strukturierten Menü gewichen ist. In technischer Hinsicht sind Original und Remake nicht vergleichbar, letztere Variante jedoch mit der Version für den PC und die PlayStation 4.

So läuft die Switch-Fassung maximal leider nur mit dreißig statt sechzig Bildern pro Sekunde. Zudem ist die Farbgebung deutlich blasser wie auf den Vergleichsplattformen, was vor allem im Handheld-Modus negativ auffällt. Fraglich ist auch, warum in seltenen Fällen ein paar der auch so schon zu matschigen Texturen auf der Switch in den Zwischensequenzen zu spät laden. In allen Versionen sind die Gesichtsanimationen der Anime-Figuren außerdem zu hölzern. Immerhin sind die wichtigsten Dialoge und inneren Monologe der Helden komplett auf Englisch und Japanisch vertont, wobei wir hier klar zur japanischen Synchronisation raten, da die englische Variante durchgehend lustlos wirkt. Wem derlei Lappalien nicht stören, kommt dank des überarbeiteten und echt tollen Soundtracks, der wahlweise in der ebenso stimmungsvollen 16-Bit-Variante erklingt, dank zahlreicher Verbesserungen auch auf der Switch in den Genuss eines der besten und vor allem sinnvollsten Remakes aller Zeiten.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Trials of Mana ist sowohl in der ursprünglichen als auch in der überarbeiteten Version eines der besten und erinnerungswürdigen Rollenspiele. Zwar mag die Story hier und da altbacken wirken, das Spielgefühl ist aber nach wie vor äußerst frisch. Das liegt zum einen daran, dass ich die sehr verspielte Welt von Trials of Mana aus der Third-Person-Perspektive erkunde und damit in jeder Sekunde dazu angehalten werde, die Augen stets nach Items und Schatztruhen offen zu halten. Zum anderen fühlen sich die Kämpfe wesentlich besser und vor allem flüssiger an. Der Verbrauch von Gegenständen und das Wirken von Zaubersprüchen verschlingt nun keine Zeit mehr, die mir auf dem Super Nintendo vor allem in ausufernden Kämpfen gerne mal den letzten Nerv raubt. Ich muss stets taktieren und mich auf das Gegnerverhalten einstellen, was dem Spiel wirklich gut tut. Ebenso gefällt mir der überarbeitete Soundtrack, der dem Original verblüffend ähnlich ist. Wer sich mit diesem dennoch nicht anfreunden kann, hat ebenso die Möglichkeit, ihn im Optionsmenü gegen die 16-Bit-Melodien zu tauschen. Unter technischen Gesichtspunkten hinkt die Switch-Fassung den Versionen für den PC und die PlayStation 4 etwas hinterher, was jedoch nur leicht am sonst außerordentlich positiven Gesamtbild kratzt.