World End Syndrome – TEST

World End Syndrome versucht sich am Spagat zwischen Mystery-Geschichte und romantischem Abenteuer im sonnigen Urlaub-Setting, überrascht aber eher mit einer besonderen Spielstruktur.


Mihate Town, ein verschlafenes Örtchen an der japanischen Küste, aber mit einem eigenartigen Hang zum Okkulten: An diesen Ort verschlägt es unseren spielbaren Protagonisten, der für ein Jahr sein Dasein an der örtlichen High-School fristen darf. Hier gibt es nicht nur die regionale Radiosendung namens Worldend Syndrome, die sich mit den Mythen und der Vergangenheit der Stadt beschäftigt, sondern auch Gemunkel über die Yomibito-Legende, nach der alle hundert Jahre Personen vom Reich der Toten wiederbelebt werden und Unruhe stiftet.

Das aber nur am Rande, zunächst erzählt World End Syndrome seinen Einstieg linear und lässt sich die nötige Zeit, um Figuren und Orte zu etablieren. Positiv hervorzuheben ist das gute Pacing ohne sperrige Dialoge, die sich minutenlang ziehen, was für Visual Novels nicht ungewöhnlich ist. Nacheinander lernen wir die Klassenkameraden und einige Bewohner der Stadt kennen. Sie stammen zu teilen zwar aus der Klischee-Schublade, können uns aber mit vielen humoristischen Eigenheiten bei der Stange halten.

Nackte Haut und blanker Grusel

Am auffälligsten ist aber, dass die meisten von ihnen weiblich sind und gekünstelte Fanservice-Szenen nicht zu kurz kommen. Für Dating-Simulationen ist das nicht ungewöhnlich, World End Syndrome versucht sich gleichzeitig aber auch an einer Spukgeschichte, die sich nach den ersten Stunden entfaltet. Die Frage, ob diese konträren Stimmungen zwischen dem bunten Setting voller Fanservice und Klischees und einer Gruselgeschichte aufgeht, können wir zum Glück bejahen. Eines der besten Dinge an World End Syndrome ist, dass diese Elemente tatsächlich Hand in Hand gehen und sich nicht gegenseitig ausspielen. Das ändert aber trotzdem nichts am oberflächlichen Fanservice.

Gezwungen frei 

Nach dem gemächlichen Einstieg stehen die Sommerferien in Mihate Town an; die Freiheit der Schüler wirkt sich auch spielerisch auf uns aus. Die zur Verfügung stehende Freizeit gestalten wir nach unserem Ermessen. Wir erkunden Gebiete wie den örtlichen Schrein, die Küste oder den nahegelegenen Wald. Erkunden heißt hier über eine Stadtkarte zu klicken. Je nach Tageszeit sind auch unsere Bekannten an diesen Orten. Mit den dortigen Figuren verbringen wir anschließend etwas Zeit und erhalten Aura-Punkte, die für die unterschiedlichen Enden von Bedeutung sind. Diese Events können wir einen gesamten Ingame-Monat lang wiederholen, bis wir die unterschiedlichen Enden freischalten. Gelingt es uns nicht, bleiben die Geheimnisse ungelüftet und wir beginnen diesen Spielabschnitt von Neuem. Das dürfte zu Beginn auch die Regel sein, denn nicht selten fühlen wir uns recht hilflos, da das Spiel uns auch kein Feedback gibt, ob wir auf einer richtigen Fährte sind. Vorspulfunktion und viele Speicherstände verhindern allerdings einen zu hohen Zeitaufwand.

Daneben sind es vor allem die kleinen Dinge, die uns in World End Syndrome gefallen haben. Die gut eingebundenen Bedienobjekte und Interfaces (unsere Tasche samt Inventar stellt zum Beispiel das Menü dar) und vielen Text-Optionen wie Scroll-Geschwindigkeit tragen zur Atmosphäre und guten Spielbarkeit gleichermaßen bei. Während die gezeichneten Hintergründe für sich schon von eindeutig gehobener Qualität sind, wurden diese zusätzlich mit kleinen Animationen angereichert. Durch solche kleinen Bewegungen, seien es Baumwipfel bei einem Sturm oder ein Windrad im Hintergrund, wirkt Mihate Town sofort einladend und lebendig. Ganz kurze Videosequenzen verstärken den Eindruck, dass in World End Syndrome auf jeden Fall mehr Budget geflossen ist als in eine durchschnittliche Visual Novel. Die dazu sehr schönen Farb- und Lichtstimmungen ergänzen mit dem ruhigen Soundtrack den entspannten Flair. Im Setting von World End Syndrome würde bestimmt jeder einmal Urlaub machen wollen.

Geschrieben von Jonas Maier

Fazit:

Wer in World End Syndrome eine reine Mystery-Story erwartet, wird von den umfangreichen Charakterinteraktionen inklusive romantischen Aspekten bestimmt abgeschreckt. Schlecht sind sie nicht, allerdings gehen beide Thematiken Hand in Hand und sind gleichermaßen relevant. Damit wurde ich schnell warm, aber leider gefällt mir die Spielstruktur nicht wirklich. Ich habe nichts gegen die sich wiederholenden Elemente, die an Filme wie Und täglich grüßt das Murmeltier erinnern und schließlich neue Enden freischalten. Ohne konkrete Tipps oder Komplettlösung bin ich mir aber nie sicher, ob ich während den Spieldurchgängen auf der richtigen Fährte bin. Als Entschädigung sehe ich da die ruhige Atmosphäre und die stimmungsvollen Orte, an denen ich mich schon fast wie im echten Urlaub fühle. Nur zu gerne würde ich diese in einer „echten“ dreidimensionalen Spielwelt erkunden. Ein höheres Lob kann eine Visual Novel auf technischer Ebene nicht bekommen.