Raging Loop – TEST

Videospielumsetzungen in Form von Brett- und Gesellschaftsspielen gibt es viele. Andersherum versucht Raging Loop das Pferd aufzuziehen und das Konzept von „Mafia“ oder „Die Werwölfe von Düsterwald“ in einer Visual Novel umsetzten.


Das auf Erzählungen in Textform fokussierte Medium der Visual Novels passt auf den ersten Blick überhaupt nicht zum Gesellschaftsspiel „Werwolf“. Im Mittelpunkt stehen taktische, kluge Entscheidungen in der Runde und Menschenkenntnisse sowie ein Auge zum Detail, um seine Gegenüber zu entlarven.

In der Falle

Raging Loop StoryInhaltlich baut Raging Loop direkt auf seinem Vorbild auf und versetzt uns nach nur einer Spielstunde in ein abgelegenes Dorf voller eigenbrötlerischer Bewohner. Der hiesige Glaube zwingt die Bewohner zu rituellen Opferungen, denn unter den Dorfbewohnern befinden sich einige feindlich gesinnte, die sogenannten Werwölfe. Diese werden nachts aktiv und fallen über die Bewohner her. Am nächsten Tag diskutieren und entscheiden die Dörfler, wen sie als schuldig ansehen und opfern diese Person.

In dieses absurde Szenario wird Haruaki geworfen, der nach einer ungeschickt gewählten Route durch die nächtliche Bergregion und einem Motorradunfall später keinen anderen Weg mehr sieht, als im abgelegenen Dorf nach Hilfe zu suchen. Als Fremder hat er natürlich nicht den besten Stand und wird von der Dorf-Sippe schnell verdächtigt.

Die Frage des guten Geschmacks

Haruaki war uns ziemlich unsympathisch – zumindest in den ersten Spielstunden. Zum einen liegt das am Charakterdesign von ihm und auch den anderen; zum anderen wird er durch teils dumme, teils befremdliche und teils dreiste Aussagen, die er schon zu Beginn des Spiels tätigt, schnell zu einer Figur, mit der wir uns nicht identifizieren wollten. Positiv ist aber, dass er auf jeden Fall nicht zu den profillosen und vielleicht sogar stummen Protagonisten zählt, die das Genre zu genüge geprägt haben. Und seine besondere Art sorgt auf jeden Fall für Interesse. Attestieren müssen wir ihm auch, dass er durchaus intelligent ist und seine Umgebung stets analytisch im Blick hat. Insgesamt fühlt sich Raging Loop bei Weitem erwachsener an, als viele andere Visual Novels, auch aufgrund des Alters: die wichtigen Figuren sind Mitte zwanzig, sehen so aus und verhalten sich auch so.

Das Dorf kann keiner mehr verlassen und die Figuren sind im Dorf genauso gefangen, wie in einem Escape-the-Room-Spiel. Das Spiel im Spiel, also die Suche nach den Werwölfen, wird durch die verzweigenden Storylines spannend. Trifft Haruaki falsche Entscheidungen, wird er auch das Zeitliche segnen. Das macht aber nichts, denn über das Menü verfolgen wir die Story und dessen Abzweigungen und können jederzeit zu vorherigen Ereignissen und Entscheidungen zurückspringen.

Unverkennbare Herkunft

Das Charakterdesign hat einen klaren Wiedererkennungswert, trotzdem konnte uns die visuelle Darstellung der Figuren nicht überzeugen. Das lag auch an den unspektakulären Bildern, ebenso wie den immer gleichen Hintergründen und Charakterportraits. Der Grund liegt in der ursprünglichen Veröffentlichung: Raging Loop war zunächst ein Smartphone-Spiel, bevor es für Nintendo Switch portiert wurde. Diese Herkunft ist offensichtlich, auch in den Menüs mit ihren großen, auf Touchscreens ausgelegten Interface-Elementen. Ausgesprochen hässlich ist das Menü dazu auch. Zumindest bieten die Einstellungen alle wichtigen Optionen, von Auto-Play und dessen Geschwindigkeit bis hin zur Optimierung der Ton-Einstellungen.

Wichtiger sind allerdings Story und Figuren, die uns nach einigen Spielstunden doch überzeugen konnten. Potentielle Spieler müssen sich auch auf viele japanische Begriffe und Namen einstellen. Diese werden zwar erklärt, wir müssen uns dieser aber merken. Ansonsten werden wir es schwer haben, uns in der Story zurechtzufinden. Insgesamt braucht es auch einiges an Zeit, bevor das Spiel seine Möglichkeiten entfaltet. Etwas Geduld braucht der Spieler auf jeden Fall.

Geschrieben von Jonas Maier

Fazit:

Ich war positiv überrascht, dass Raging Loop es tatsächlich geschafft hat, die erzählerische Erfahrung von „Werwolf“ in einer Visual Novel umzusetzen. Dabei ist das Endprodukt doch etwas Anderes, immerhin können und müssen wir zwischen unterschiedlichen Storylines hin und hier springen und erleben dann doch eine klassische Mystery-Geschichte in Visual-Novel-Form. Leider bin ich kein Fan von der Optik – mit dem Charakterdesign konnte ich mich nach einiger Zeit abfinden, nach Titeln wie Root Letter: Last Answer oder World End Syndrome fällt Raging Loop mit seiner Smartphone-Optik aber sofort negativ auf.