River City Girls 2 – TEST
Mit River City Girls von 2019 versuchte Entwickler WayForward die Kunio-kun-Reihe einem nicht-japanischen Publikum zugänglicher zu machen. Leider war das Spin-off nichts weiter als mittelmäßige Genre-Kost. River City Girls 2 ist in vielen Belangen aber sehr viel besser!
Wer die Kunio-kun-Reihe kennt, der weiß, dass diese keine sonderlich tiefgründige Geschichte erzählt. Auch River City Girls 2 bildet hierbei keine Ausnahme. So übernehmen die Yakuza die titelgebende Stadt und da für Raufbolde wie Kunio, seinen Kumpel Riki und ihre Freundinnen Kyōko und Misako kein Platz mehr ist, werden diese von den Yakuza aus der Schule verbannt. Da die Yakuza auch das Einkaufszentrum übernehmen, in dem sich der Videospielladen befindet und die Freunde somit nicht an die neueste Episode ihrer Lieblingsvideospielreihe kommen, platzt ihnen endgültig der Kragen. Sie zetteln einen Kampf gegen das organisierte Verbrechen an und prügeln sich mit allerhand Schlägertypen munter durch River City.
Das Spielgeschehen des Beat ’em ups wird dabei aus einer leicht erhöhten Seitenperspektive im Stile von Streets of Rage und Co dargestellt. Im Gegensatz zum Sega-Klassiker ist River City Girls 2 aber wesentlich freier. So erkunden wir die Stadt, die sich in kleine Sektionen aufteilt, nach Gutdünken. Das heißt, dass wir strikt der Handlung folgen können, uns jedoch auch genauso gut an Nebenquests und -beschäftigungen versuchen dürfen. Da sich der Handlungsort über mehrere Stadtteile erstreckt, freuen wir uns darüber, dass es mit den Bushaltestellen eine Art Schnellreisesystem gibt. Rückwege werden so auf ein Minimum reduziert.
Leicht von der Hand gehendes Gameplay
In puncto Gameplay folgt River City Girls 2 im Großen und Ganzen dem Vorgänger. So wählen wir zunächst aus den vier Hauptcharakteren unseren Haudegen aus. Später kommen noch zwei freischaltbare Spielfiguren hinzu. In der Haut von Kunio und Co wehren wir uns mit Faust und Füßen gegen allerhand Angreifer wie grimmige Geschäftsmänner, aufgeweckte Cheerleader oder maskierte Wrestler. Es macht wirklich Spaß, gegen die abwechslungsreichen Gegnertypen anzutreten, leichte und starke Angriffe intuitiv aneinanderzureihen und in der Umgebung Volleybälle als Wurfgeschosse aufzuklauben, Baseballschläger zu schwingen oder herumstehende Mülltonnen, Fahrräder oder Bänke als Waffen zu missbrauchen – die Yakuza-Reihe lässt grüßen.
Je nachdem welchen Charakter wir spielen, variieren die Angriffe ein wenig, haben aber keinen großen Einfluss auf das flüssige Gameplay. Dieses fluppt einfach von Anfang bis Ende und überflügelt den Vorgänger in vielen Aspekten, ohne das grundlegende Konzept massiv zu überarbeiten. So erhalten wir für besiegte Gegner immer noch Erfahrungspunkte, die uns im Level aufsteigen lassen. Je höher unser Level ist, desto länger ist unsere Ausdaueranzeige respektive Lebensenergie. Außerdem schlagen wir stärker zu und sind ein wenig wendiger. Unsere Charakterwerte lassen sich aber auch anderweitig erhöhen.
Individuelle und gelungene Charakterprogression
Hier kommt das Geld ins Spiel, denn besiegte Gegner lassen Kleingeld fallen, das wir in aller Seelenruhe aufsammeln können. In Restaurants können wir unsere Moneten beispielsweise in Nahrung investieren. Essen wir das Gericht zum ersten Mal, erhalten wir einen kleinen, aber permanenten Boost auf unsere Werte. Entweder frischen wir unsere Ausdauer durch den Verzehr vor Ort auf oder wir nehmen die Mahlzeit für unterwegs mit. So können wir auch mitten in härteren Bosskämpfen das Inventar öffnen und den Snack vernaschen.
Geld können wir darüber hinaus auch im Dōjō ausgeben, um neue Skills zu lernen. Diese werden fein säuberlich in einer Bewegungsübersicht aufgelistet, in der wir die Angaben verinnerlichen müssen. So kompliziert wie in Fighting Games à la Street Fighter ist das Beat ’em up River City Girls 2 aber nicht. Die meisten Angriffe gehen wunderbar von der Hand und da wir nicht gerade gegen wenige Gegner antreten, können wir die Fähigkeiten hervorragend durch das Ausprobieren verinnerlichen. Wem das im laufenden Gefecht zu stressig ist, findet in der Nähe des Startgebiets übrigens ein separates Dōjō, in dem wir einfach nur auf einen wehrlosen Gegner einprügeln können. Weitere Individualisierungen der Figuren gehen Hand in Hand mit Spezialeffekten, die wir durch anlegbare, aber zunächst teuer erwerbbare Kleidungsstücke erhalten.
Mitreißender Soundtrack von Megan McDuffee
Auch nach mehreren Stunden macht River City Girls 2 noch ordentlich Laune. Das liegt an zwei wichtigen Aspekten. Zum einen kann der Titel lokal und online auch mit bis zu vier Spielern angegangen werden. Besonders persönliche Absprachen auf der Couch werten die gelegentlich etwas unübersichtlichen Prügeleien deutlich auf. Zum anderen ist der Soundtrack des Spiels unfassbar gut. Es gibt nicht nur adrenalingeladene Musikstücke, die uns jederzeit antreiben, die nächsten Rangeleien zu überstehen und ins nächste Gebiet vorzudringen, sondern auch ein paar gesungene Lieder von Komponistin Megan McDuffee und weiteren Interpreten.
Gerade die Songs verleihen dem Spiel mit seiner charmanten Retro-Grafik gelungene 1980er-und-1990er-Jahre-Vibes, die uns mitreißen. McDuffee hat den kompletten Soundtrack Anfang Dezember 2022 übrigens kostenfrei auf Youtube zum Reinhören zur Verfügung gestellt. Auch wenn all das ziemlich cool klingt, gibt es noch ein paar Dämpfer. Allen voran wäre da die englische Synchronisation, die an Saturday Morning Cartoons erinnert und nicht auszuhalten ist. Zum Glück bietet der Titel auch eine japanische Sprachausgabe, die viel besser zum überdrehten Geschehen passt. Wir freuen uns, dass das Entwicklerstudio auf unsere Kritik vom Vorgänger gehört hat und River City Girls 2 so wesentlich genussvoller macht.
Vermeidbare technische Probleme
Bei der Technik von River City Girls 2 gibt es aber leider keine Möglichkeit, grobe Fehler zu kaschieren. Da die Areale allesamt überschaubar ausfallen und oft binnen einer halben Minute abgeschlossen sind, werden wir regelmäßig mit Ladezeiten beim Gebietswechsel konfrontiert. Auf der Switch nehmen diese Ladezeiten Überhand, da sie jeweils mit etwa acht Sekunden zu Buche schlagen. Das summiert sich auf Dauer. Auf der Switch laden aufwendigere Spiele viel schneller. Dies scheint aber eher ein Problem der Programmierung zu sein, da leistungsstärkere Konsolen wie die PlayStation 5 ebenfalls um die vier bis fünf Sekunden zum Laden eines Areals brauchen. Plattformübergreifend werden wir also zu häufig aus dem flotten Gameplay gerissen. Würden die Gebiete dreimal so groß ausfallen, würde dieses Problem gar nicht mal so sehr ins Gewicht fallen.
Erschwerend kommt bei der Switch-Fassung ein nerviges Dauerruckeln hinzu. Je nach Detailreichtum des Areals und Anzahl beweglicher Objekten ruckelt das Spiel mal mehr und mal weniger. Die Spielbarkeit wird davon nur wenig tangiert, aber auch das dürfte auf der Switch nicht passieren. Teenage Mutant Ninja Turtles: Shredder’s Revenge ist hierfür der beste Beweis. Wer mit den Defiziten leben kann und kein Problem damit hat, dass die fiktive japanische Stadt auch dieses Mal trotz offensichtlicher japanischer Identität amerikanisiert wurde, findet in River City Girls 2 eines der besten Beat ’em ups der letzten Jahre.
Geschrieben von Eric Ebelt
Fazit:
River City Girls von 2019 hat mich im Gegensatz zum Nachfolger nicht sonderlich angesprochen. Zu lange dauern im Vorgänger Level-Aufstiege, zu viel halten die Gegner aus und viel zu schlimm fällt die Amerikanisierung der ursprünglich japanischen Reihe für mich aus. Gut, letzteres ist ebenfalls ein großes Problem von River City Girls 2, weshalb gerade langjährigen Fans wie meiner Wenigkeit vor den Kopf gestoßen wird, aber sonst macht das Beat ’em up mit seinen seichten Rollenspiel-Elementen eigentlich fast alles richtig. Die Moves gehen wunderbar von der Hand und lassen sich zu grandiosen Angriffsketten verbinden. Auch die Charakterprogression animiert mich dazu, dass ich mich auch schon mal länger in einem Gebiet aufhalte, um Geld zu sammeln, dass ich dann in Nahrung investiere, die meine Charakterwerte erhöht. Ebenfalls mag ich, dass ich den Titel kooperativ mit bis zu drei Freunden angehen darf. Die nächsten Multiplayer-Nachmittage sind gerettet! Hinzu kommt ein grandioser Soundtrack, der hervorragend zum flotten Gameplay passt. Schläge und Tritte sind da schon fast ein Tanz. Allerdings frage ich mich, warum die Nintendo-Switch-Fassung nicht ohne ein nerviges Dauerruckeln auskommt und die Ladezeiten zwischen den sehr kleinen Gebieten viel zu lang sind. Wem das aber nichts ausmacht, kommt um River City Girls 2 nicht herum. Das Spiel ist ein ganzes Stück besser als sein Vorgänger und gehört sogar zum Besten, was das Genre zu bieten hat.