The Long Reach – TEST

Weihnachtsmänner, kommunistische Ideale, mysteriöse Experimente oder wahnsinnig gewordene Angestellte einer rätselhaften Firma sind nur ein paar der Themen, die im Adventure The Long Reach des ukrainischen Entwicklerstudios Painted Black Games aufgegriffen werden.


Im Adventure-Thriller The Long Reach schlüpft der Spieler in die Haut von Stewart. Dieser nimmt freiwillig an den angeblich harmlosen Musikexperimenten von Stanley und Shelly in einem Tonstudio, das zudem einem dubiosen Industriekonzern mit Sitz in der fiktiven Stadt Baervox im US-Bundesstaat New Hampshire angehört, teil. Plötzlich verliert Stewart das Bewusstsein und kaum wacht er aus dem Schlaf wieder auf, muss er feststellen, dass kaum jemand im auf einmal hermetisch abgeriegelten Gebäude anzutreffen ist. Wenn er dann doch auf Überlebende des im Verlauf des Spiels kryptisch erklärten Vorfalls trifft, sind sie in der Regel verrückt: Leute verhalten sich wie Hunde, gehen mit Baseballschlägern auf Stewart los oder halluzinieren stark und verkriechen sich in ihre eigene Gedankenwelt.

Ein Glück, dass Shelly recht früh in der auf circa vier Spielstunden ausgelegten Handlung telefonisch Kontakt mit Stewart aufnimmt und ihm mit einfachen Worten versucht, die Lage zu erklären. So erhält der Spieler die Informationen, die er benötigt, um einen Weg durch das abgeschlossene Gebäude zu finden. Gepaart ist die Story mit der einen oder anderen überraschenden Wendung, die auf die zahlreichen Charaktere des Spiels eingeht. Jede Spielfigur hat ihre eigene Persönlichkeit, die dabei hilft, die facettenreiche Handlung wie ein Mosaik zusammenzusetzen.

Liebevolle und mutwillige Details

Wichtigster Bestandteil der Geschichte sind dutzende Dialoge zwischen Stewart und den sehr illustren Gestalten. Während die eingedeutschten Texte anfangs noch ein wenig befremdlich und erst im späteren Verlauf des Spiels ausstaffierter wirken, ist Sarkasmus gepaart mit dem einen oder anderen Schimpfwort in der Regel vorherrschend. Gelegentlich bewegt sich der Humor auch am Rande des Geschmacklosen oder übertritt diese Schwelle unter Umständen sogar. An einer Stelle wird Stewart beispielsweise aufgefordert, sich eine Schrotflinte zu besorgen und den „Cobain zu machen“. Es gibt jedoch auch harmloseren Humor: South-Park-Fans freuen sich bestimmt darüber, dass „Profit“ der letzte Arbeitsschritt beim Anwerfen eines Generators ist und nur Kenner der Final-Fantasy-Reihe werden schmunzeln, wenn Stewart einen Impfstoff herstellt und behauptet, dass dies seine persönliche Phönixfeder sei.

Des Weiteren verstecken sich in The Long Reach Anspielungen auf die US-amerikanische Populärkultur in Form eines Ghost-Busters-Plakat oder eines Sturmtrupplerhelms aus Star Wars. Wer aufmerksam die Dialoge liest und sich die Umgebungen anschaut, wird sicher noch mehr Details erkennen, die die Entwickler mehr oder weniger liebevoll in ihr Adventure-Spiel eingebaut haben. Im Umkehrschluss heißt das allerdings auch, dass viele (mutwillige) Gags nicht zünden, wenn kein kulturelles Hintergrundwissen beim Spieler vorliegt.

Interessante Kost für Genre-Fans

In puncto Gameplay bietet das Abenteuer die gewohnte Kost, die vor allem Point-and-Click-Adventures mit ihrem Item-Management bieten. Das heißt, dass der Spieler in den Laboratorien, Kühlkammern, Küchen oder Abstellräumen Gegenstände aufklauben muss, um sie an anderer Stelle einzusetzen. Ein Gummiknochen eines Hundes muss beispielsweise am zerbrochenen Glas eines Snack-Automaten in Form geschnitten werden, damit er schließlich in die Öffnung eines defekten Aufzugsschalters passt und Stewart das Stockwerk im Gebäude wechseln kann. Die Knobelei macht zuweilen sehr viel Spaß und stellt einen niemals vor wirklich große Herausforderungen.

Nur selten ist das Irren durch die Firma die Folge, wenn ein wichtiges Objekt übersehen wurde. Obwohl das Spiel an vielen Stellen dem Spieler die freie Wahl lässt, in welcher Reihenfolge die Räume erkundet werden sollen, führen alle Wege nach kurzer Zeit wieder zu einem roten Faden zusammen. Wer jedoch eine interessante und zuweilen ganz schön verrückte Handlung erleben will, nimmt die teilweise vorhandene Linearität aber gerne in Kauf. Zusammen mit einer kinderleichten Steuerung, einer sehr schönen Pixel-Optik und passender Musikuntermalung entwickelt sich The Long Reach auf diese Weise mit jeder Minute zu einem knackigen Adventure, dem Genre-Fans definitiv eine Chance geben sollten.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Wie jedes andere Genre auch, kann selbst das Adventure-Genre nicht alle Spieler zufriedenstellen. The Long Reach versucht mit einem eher einsteigerfreundlichen Gameplay und einer düsteren Handlung, die nur so vor Sarkasmus und Schimpfwörtern strotzt, vor allem den Fans von Abenteuerspielen eine interessante Alternative zu bieten, die aber nicht von allen Fans des Genres angenommen werden kann. Unter Umständen kann dies an der rechten einfachen Rätselkost liegen: Das Gameplay ist auch von Einsteigern schnell verinnerlicht, da es einen niemals vor unlösbare Herausforderungen stellt und selbst die wenigen Kopfnüsse mit ein wenig Überlegen schnell gemeistert werden können. Schade ist auch, dass das Spiel, das sich nach einem eigentlich packenden Thriller anfühlt, schon nach ein paar Stunden beendet ist und so kaum Platz lässt, um die zuweilen arg kryptische Handlung vernünftig für jeden Spieler zu erklären. Beim Abspann werden dann sicher noch einige Fragezeichen über den Köpfen so mancher Spieler auftauchen, die dann aber wenigstens zum erneuten Durchspielen anregen. Die Spielzeit von circa dreieinhalb bis vier Stunden ist unterm Strich aber immer noch gut investiert, sofern einem der teils makabere Humor nicht zu sauer aufstößt und genügend Hintergrundwissen über Filme, Musik und Videospiele vorhanden ist, um einige Gags überhaupt erst verstehen zu können.